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Faksimile-Ausgaben mittelalterlicher Handschriften sind ebenso prestigeträchtige wie kostspielige verlegerische Unternehmungen, die aus ganz verschiedenen Gründen in der Regel nur einen eingeschränkten Leserkreis erreichen können. Sichert ihnen die häufig geringe Auflage, gepaart mit einem entsprechend hohen Herstellungs- und Verkaufspreis einerseits den Anspruch des Exklusiven, des nicht jedermann Erreichbaren, wird im Gegenzug eine angemessene Breitenwirkung aus denselben Gründen blockiert. Dies umso mehr, als die zunehmend schwindenden Ankaufsetats öffentlicher Bibliotheken den Erwerb derartig kostenträchtiger Publikationen oft genug verbieten und somit einer breiten interessierten Öffentlichkeit die Einsichtnahme in bedeutsame Werke der mittelalterlichen Buchkunst verwehrt bleibt, die schon allein aus konservatorischen Gründen heute im Original nur in den seltensten Ausnahmefällen zugänglich gemacht werden können und dürfen.
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Gerade deshalb ist hier eine neue Publikation vorzustellen, der es gelingt, die Exklusivität einer Faksimile-Edition mit der Zugänglichkeit einer üppig ausgestatteten, eingehend kommentierten Studienausgabe auf geradezu ideale Weise in Einklang zu bringen, handelt es sich doch um die unveränderte Separatausgabe des von Harald Wolter-von dem Knesebeck besorgten Kommentarbandes zum Vollfaksimile der prunkvollen Handschrift, in dem alle mit Miniaturen geschmückten Seiten des Codex als ganzseitige Farbtafeln nur geringfügig verkleinert wiedergegeben sind.
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Ein »goldenes« Evangeliar retrospektiven Zuschnitts
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Selbst manchen Kenner illuminierter Handschriften des Mittelalters mag zunächst der Haupttitel der Publikation Das Mainzer Evangeliar stutzig machen, eine Bezeichnung, die schon im Geleitwort Kardinal Lehmanns zum »Goldenen Mainzer Evangeliar« nobilitiert wird, geht es doch um Ms. 13 der Aschaffenburger Hofbibliothek, das bislang vorwiegend als Aschaffenburger Evangeliar bekannt war und von der Forschung trotz der herausragenden Bedeutung seines künstlerischen Schmucks nur selten eingehendere Beachtung fand.
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Dennoch handelt es sich auch hier um einen im Evangelientext durchgehend in Goldschrift geschriebenen ›Codex aureus‹, ein ›Goldenes Evangelienbuch‹, somit um einen höchst repräsentativen Buchtypus, der gemeinhin nur mit spektakulären liturgischen Handschriften aus der Zeit der Karolinger und Ottonen in Verbindung gebracht wird; man denke nur an das um 800 am Hof Karls des Großen hergestellte Wiener Krönungsevangeliar (Wien, Weltliche Schatzkammer der Hofburg), den Codex aureus von St. Emmeram aus der Hofschule Karls des Kahlen um 870 (München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 14000) oder an den Codex aureus Epternacensis, der um 1030 in Echternach entstand (Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Hs. 156142). Aus demselben Scriptorium stammt schließlich der sogenannten Codex Escorialensis (Madrid, Escorial, Cod. Vitrinas 17), den König Heinrich III. um 1045 dem Dom zu Speyer stiftete. Einige weitere Handschriften verdanken ihren Namen nicht mehr der Goldschrift, sondern ihren Prachteinbänden.
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Gerade der Umstand, dass die Aschaffenburger Handschrift aus der Mitte des 13. Jahrhunderts der Blütezeit dieser Goldenen Evangelienbücher zeitlich bereits sehr fern steht, zudem heute ihres ursprünglichen, in Quellen belegten Prachteinbandes beraubt ist und an eher entlegener Stelle aufbewahrt wird, verleiht der neuen Faksimile-Edition ihre besondere Berechtigung. Hinzu kommt, dass sich für die Buchproduktion der Stauferzeit kein weiteres Evangeliar ähnlich »retrospektiven Zuschnitts« (S. 138) nachweisen lässt, das sich in Umfang und Thematik seines bildlichen Ausstattungsprogramms so bewusst auf die monumentalen königlichen und kaiserlichen Bücherstiftungen bezieht, allen voran auf das für den nahe gelegenen Speyerer Dom gestiftete Evangeliar Heinrichs III. Damit findet auch Wolter-von dem Knesebecks Einschätzung durchaus ihre Berechtigung, das prachtvolle Evangeliar sei vom Mainzer Erzbischof gleichsam als Mainzer Krönungsevangeliar in Auftrag gegeben worden, um den Vorrang des Mainzer Erzbischofs und seines Klerus beim »Königsmachen« zu behaupten und gegebenenfalls umzusetzen (S. 48–49).
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Stil und Ikonographie als Ausdruck höchsten Repräsentationsanspruchs
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Bei einem Umfang von lediglich 100 Pergamentblättern im Format von 32,5 x 27 cm ist der Codex im Rahmen der Buchproduktion des mittleren 13. Jahrhunderts durchaus keine Ausnahmeerscheinung. Seine besondere Bedeutung liegt neben der – für die Entstehungszeit höchst unüblichen – Goldschrift in erster Linie auf seiner malerischen Ausstattung ganz ungewöhnlichen Umfangs und thematischer Breite. Nach den Vorreden und einer monumentalen Reihe von illuminierten Kanontafeln, die auf 15 Seiten dem Text der vier Evangelien vorangestellt sind, illustriert ein komplexer, 71 Einzelszenen unterschiedlichen Formats umfassender Bildzyklus die in kanonischer Abfolge in die Handschrift aufgenommenen Evangelientexte. Dabei handelt es sich teilweise um seitenfüllende Darstellungen wie etwa die einleitende Evangelienharmonie (fol. 17r), die in einem gemalten goldgrundigen Bildfeld die Porträts der Evangelisten mit ihren jeweiligen Symbolen, die vier Paradiesflüsse sowie – in Anlehnung an die Gottesvision des Ezechiel (Ez 1,4–25, Ez 10,1–22) – den Gotteswagen mit dem Cherub im mittleren Bildregister in einer großartig-visionären Bilderfindung vereint und in den Rädern des Wagens gleichzeitig beziehungsreich auf das »Emblem« des Bistums, das Mainzer Rad, anspielt (vgl. dazu ausführlich S. 82–89). Danach folgen, in die einzelnen Evangelien in unterschiedlicher Dichte eingefügt, neben den Initialzierseiten eine hoch komplexe Darstellung des Stammbaums Jesu (fol. 17v-18v), Szenen zur Kindheit, zum öffentlichen Wirken bis hin zur Passion. Auferstehung, Himmelfahrt und Pfingsten schließen sich an. Hinzu kommt eine Fülle kleinerer farbiger Zierbuchstaben, deren ebenfalls farbige Initialgründe auf den Seitenstegen in sich hinaufwindenden bzw. herabfallenden Blattstäben auslaufen, die in umgeschlagenen Blattspitzen oder wirbelförmigen gedrehten Blattgruppen enden.
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Nicht zuletzt aufgrund des Umfangs des Illustrationszyklus, der auf ganz eigenwillige Weise dem ein- bzw. zweispaltig organisierten Text eingepasst wird, findet Hanns Swarzenskis Urteil, die Handschrift stelle »nicht allein dem künstlerischen Anspruch nach sondern auch in der Höhe des rein handwerklichen Könnens und in der Größe der Formgestaltung das vielleicht bedeutendste Werk der deutschen Malerei des XIII. Jahrhunderts und überhaupt eine der glanzvollsten Schöpfungen der Buchmalerei des Mittelalters« dar, seine Berechtigung.
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Freilich haftet den bunten, in ihrer Anlage und Bildung oft wiederholten Figurenerfindungen trotz der Sorgfalt der Ausführung manchmal etwas feierlich Starres, in schematischen Farbzusammenstellungen Befangenes an, das durchaus auch als Merkmal höchsten bischöflichen Repäsentationsanspruchs gewertet werden kann. Die starke schwarze Konturierung der oftmals einschichtig nebeneinander gereihten, dabei gestenreich agierenden Figuren und die schematisierten Raumandeutungen verleihen manchen Szenen die Wirkung von farbkräftigen Glasmalereien – freilich ins Medium der Buchmalerei übersetzt und fast durchgehend von einem ortlosen Goldgrund hinterfangen, »von dem sich die bunten Figuren leuchtend und aufdringlich abheben«, wie Willibald Sauerländer nicht ganz zu Unrecht betont.
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Überlegungen zu Herkunft, Funktion und Besitzgeschichte
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Indes hat der prononciert repräsentative Charakter des »Goldenen Mainzer Evangeliars« durchaus seine Begründung, wie Harald Wolter-von dem Knesebeck eindrücklich herausarbeitet. Er liegt nicht zuletzt in der vornehmen Bestimmung des prachtvollen Codex als vermutlich würdigstem Ausstattungsgegenstand des 1239 geweihten Martinschors des Mainzers Doms, der bei der liturgischen Feier an den Hochfesten des Kirchenjahres Verwendung fand und als solcher erstmals in einem 1326 aufgezeichneten Inventar des Westchors und der dort angrenzenden Sakristei genannt wird als eines von drei
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libri qui vocantur plenaria, quibus utuntur (...) ministri in summis festivitatibus quorum unus est peroptimus, habens per totum litteras aureas, decoratus ab extra in uno latere tribus ymaginibus argenteis deauratis, videlicet crucifixi, beate Marie et beati Johannis. (S. 15)
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Leider ist der in dieser Beschreibung besonders herausgehobene Prachteinband, den ursprünglich eine Kreuzigungsdarstellung aus vergoldetem Silber zierte, heute verloren, sodass nicht mit letzter Sicherheit gesagt werden kann, ob es sich um eine Goldschmiedearbeit aus der Mitte des 13. Jahrhunderts handelte. Nach Entfernung beider Einbanddeckel wurde der Codex stattdessen wohl um 1800 mit einem Pappeinband versehen, der mit rotem, goldbroschiertem Samt mit Granatapfelmuster bezogen wurde. In dieser Zeit dürfte auch der Goldschnitt der Handschrift hinzugefügt worden sein.
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Es gehört zu den besonderen Vorzügen des als Lizenzausgabe auch separat erschienenen Faksimile-Kommentars, dass die Handschrift in einer sehr konsequenten und systematischen Weise vorgestellt wird. Auf einleitende Abschnitte, die sich vor allem der ursprünglichen Funktion des Codex (bes. S. 33–49) und Fragen seiner wechselnden Aufbewahrungsstätten vom Mainzer Domschatz bis hin zur Aschaffenburger Hofbibliothek (S. 15–21) sowie dem heutigen Einband (S. 22–24) widmen, folgen detaillierte Angaben zur Kodikologie und Paläographie der Handschrift, bei der auch der Anteil der drei am Text beteiligten Hauptschreiber festgestellt wird. Zu ihnen werden sich möglicherweise weitere Schreiber hinzugesellt haben, die nach Fertigstellung der Miniaturen Zierschriften bzw. in die Miniaturen eingetragene Bildbeischriften beisteuerten. Ihre Tätigkeit ist im Rahmen der Malwerkstätte zu sehen, die für die Ausstattung des Codex mit szenischen Illustrationen und Initialen verantwortlich zeichnet; für die 15 Kanontafeln wird vom Verfasser erstmals eine zweite, möglicherweise sogar ortsfremde Werkstatt angenommen (S. 62), als deren »aussichtsreichster Kandidat« die Erfurter Buchmalerei der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts wahrscheinlich gemacht wird (S. 76 f.).
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»Bewusste Bildinszenierung« im Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation
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Es würde zu weit führen, wollte man die zahlreichen Bemerkungen zu Ikonographie und Stil der einzelnen Schmuckinitialen und der in den Evangelientext eingestreuten Illustrationen referieren (S. 80–153), doch sei insbesondere darauf aufmerksam gemacht, wie eng jeweils Text und thematisch zugehörige Illustration im Sinne einer bewussten »Bildinszenierung« aufeinander bezogen sind, worauf der Autor des Kommentars immer wieder in scharfsinnigen Deutungen hinweist; besonders eindrücklich geschieht dies etwa bei der Analyse der selten dargestellten Szene der Bergpredigt (fol. 21r, Text S. 102–104).
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Überhaupt ist der Codex eine Fundgrube überaus selten wiedergegebener Bildthemen, deren möglichen Vorlagen sich ein eigenes Kapitel widmet, das im Gegensatz zur älteren Forschungsmeinung neue Aspekte ins Spiel bringt. Waren von der Forschung bislang insbesondere ein Vorlagenrepertoire bzw. ikonographische Anregungen aus der ottonischen Buchkunst diskutiert worden, zu denen sich Bildmuster aus der zeitgenössischen deutschen und französischen Buch- und Glasmalerei gesellten, was angesichts des vielfach bemerkten »retrospektiven Charakters« des Mainzer Evangeliars durchaus nahe liegen könnte, zeichnet Wolter-von dem Knesebeck ein anderes Bild vom Entstehungszusammenhang der Bilderfolge: Nach vergleichender Analyse der Miniaturen der einzigen »Schwesterhandschrift« des Mainzer Evangeliars, einem Lektionarfragment (Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek, Ms. in scrinio 1), das höchstwahrscheinlich dem Maler der Evangelienszenen zuzuweisen ist, wird überzeugend hervorgehoben, dass das Vorlagenrepertoire des Malers vornehmlich in zeitgenössischen Handschriften, daneben auch in Werken der Glasmalerei und Großplastik zu suchen sei. Über »kompositorische und farbliche Anpassung einer Vorlage an ihr jeweiliges Umfeld«, die mögliche Nutzung von Musterbuchzeichnungen, Anpassung und Umdeutung eines vorgeprägten Typenvorrats auf ein anderes, thematisch und strukturell verwandtes Bildthema gelange der Maler zur Formulierung seiner »durch die Leerstellen im Text angegebenen Szenen«, die dem Maler vielleicht zusammen mit einer »schriftlichen Themenliste« oder entsprechenden Beischriften auf dem Rand dienlicher gewesen sein dürften als etwa die Verarbeitung einer klar benennbaren ottonischen Vorlage (S. 156–163).
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Das Mainzer Evangeliar – ein Hauptwerk des mittelrheinischen Zackenstils
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Im Folgenden widmet sich der Verfasser der Einordnung der »stilistisch innovativen« Miniaturen, die insbesondere durch das Stilmerkmal des mittelrheinischen Zackenstils geprägt sind, der so unmittelbar vergleichbar auch in dem bereits angesprochenen Hamburger Lektionarfragment erscheint, dass für die Miniaturen beider Codices eine gemeinsame Werkstatt, vielleicht sogar die gleiche Hand angenommen werden kann. Im unmittelbarem Umkreis dieses Skriptoriums, das auch Anregungen aus den Skulpturen des Mainzer Westlettners aufgreift, ist auch die Entstehung der Tafelbilder des Wormser Domes und eine Reihe mittelrheinischer Glasmalereien anzunehmen, die sich heute überwiegend in Darmstadt befinden. In einem etwas lockereren Beziehungsverhältnis zu diesem Mainzer Atelier stehen weitere Handschriften, darunter vor allem ein Psalterbrevier in Stockholm, während andere Codices wie die Moralia in Hiob der Stiftsbibliothek Herzogenburg (Niederösterreich) eher als »Ausstrahlung der Kerngruppe« (S. 169) zu werten sind, wobei als Entstehungsort ebenso Mainz wie Regensburg »als direkte Filiation rheinischer Malerei« in Frage kommen. Auf diese Weise zeichnet Wolter-von dem Knesebeck ein Bild einer einflussreichen Mainzer Werkstätte, die freilich nicht näher zu lokalisieren ist (ein Franziskaner- oder Zisterzienserkonvent?), aber insbesondere in der Zeit um 1250 bis 1260 wirksam gewesen sein wird, einem Zeitpunkt, der ziemlich genau mit dem Episkopat des Mainzer Erzbischofs Gerhard I. Wildgraf von Dhaun (1251–1259) zusammenfällt. Damit orientiert sich der Verfasser weitgehend am Urteil der älteren Forschung.
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Zu bedauern ist, dass das erst 1986 entdeckte Aschaffenburger Tafelbild nur beiläufig »als weiteres wichtiges Beispiel im zeitlichen und räumlich-institutionellen Vor- und Umfeld« in die Untersuchung mit einbezogen wird, da es »stilistisch eigene Wege« geht (S. 176), wie zu Recht betont wird. Hier hätte man gerne Näheres erfahren und sich vor allem auch eine dem außergewöhnlichen Rang des Werkes angemessene Farbabbildung gewünscht.
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Der verlorene Prachteinband und das Preetzer Evangeliar
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Was anschließend folgt, bedarf einer Erklärung. Denn recht unvermittelt wird das so genannte Preetzer Evangeliar (ehem. Adeliges Damenstift Preetz/Schleswig-Holstein, jetzt evangelische Kirchengemeinde Preetz) vorgestellt, das – bislang nahezu völlig unbekannt – bald nach 1250 im Umkreis der Welfenresidenz Braunschweig entstanden und dessen Einband-Rückdeckel auf einer getriebenen Silberplatte mit Stanzen geschmückt ist, die eine Christusfigur in einem Vierpass und Medaillons mit den Evangelistensymbolen in den Ecken zeigen.
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Die Matrizen, über denen die Stanzen geformt wurden, gehen in die Zeit des zweiten und dritten Jahrzehnts des 13. Jahrhunderts zurück und sind auch an weiteren Werken der Schatzkunst im Umkreis Osnabrücks belegt. Indes wird der Preetzer Einbanddeckel (ebenso wie die im Kommentar gelegentlich zum Vergleich herangezogenen Miniaturen der Handschrift) nicht abgebildet, obgleich gerade mit diesem Codex »die Verklammerung von Zentrum und Peripherie bzw. von Zentren und Unterzentren innerhalb der Suffraganbistümer von Mainz und ihrem Umfeld« verdeutlicht werden soll (S. 183). Des Rätsels Lösung entpuppt sich in der Mitteilung, dass eben dieser Einband als Replik zum Einbandschmuck der Faksimile-Ausgabe herangezogen wurde, obschon er weit kleiner als der quellenmäßig belegte, aber verlorene Prachteinband des Mainzer Evangeliars ist und eben gerade keine Kreuzigung mit Maria und Johannes (»decoratus ab extra in uno latere tribus ymaginibus argenteis deauratis, videlicet crucifixi, beate Marie et beati Johannis«) wiedergibt, sondern aus maßstäblich disparaten Elementen notdürftig zusammengefügt wurde. Der originale Einband eines mutmaßlichen »Krönungsevangeliars« kann so ›dürftig‹ keinesfalls ausgesehen haben.
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Fazit
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Man mag diese abschließenden Ausführungen zum Einband des Preetzer Evangeliars und seinen Stanzen, die den Leser der Studienausgabe des Faksimile-Kommentars nur mittelbar betreffen, auf den Umstand zurückführen, dass Faksimile-Kommentar und Lizenzausgabe text- und abbildungsgleich sind. Gerade deshalb wird man sie gerne akzeptieren, liegt doch mit dem besprochenen Band endlich eine fundierte Studie zu einem hoch bedeutenden Codex vor, die nicht allein durch die Wiedergabe aller 55 mit überwiegend szenischem Bildschmuck versehenen Seiten des Mainzer Evangeliars und einer Fülle von zumeist ebenfalls farbig reproduzierten Vergleichsabbildungen besticht, sondern erstmals eine bedeutende mittelrheinische bzw. Mainzer Malwerkstätte ganz eigener Prägung umfassend vorstellt. Dafür wird man die Notwendigkeit, den Zusammenhang zwischen Text, Farbtafeln und Vergleichsabbildungen durch Hin- und Herblättern mühsam herstellen zu müssen, in Kauf nehmen, ebenso das Fehlen eines Registers. Immerhin wird der Leser durch ein umfangreiches Quellen- und Literaturverzeichnis sowie ein Glossar entschädigt. Und er wird dem Faksimile-Verlag Luzern ebenso wie dem Verlag Schnell & Steiner in Regensburg dankbar dafür sein, dass ein profunder Faksimile-Kommentar aus der Feder eines der derzeit besten Kenner der Materie zusammen mit Farbtafeln aller illuminierten Seiten des Codex zu einem durchaus erschwinglichen Preis zur Verfügung steht. Das Beispiel sollte auch weiterhin Schule machen.
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