IASLonline

To whom it may concern

Facetten einer Geschichte des Liebesbriefs

  • Renate Stauf / Annette Simonis / Jörg Paulus (Hg.): Der Liebesbrief. Schriftkultur und Medienwechsel vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Berlin, New York: Walter de Gruyter 2008. 454 S. 34 Abb. Gebunden. EUR (D) 99,95.
    ISBN: 978-3-11-020040-9.
[1] 

»Liebesbriefkultur als Phänomen«

[2] 

Die Geschlechter – die Liebe – die Schrift: wer sich mit derlei Phänomenen beschäftigt, bewegt sich auf jenen Forschungsfeldern der Kulturwissenschaft, auf denen alles mit allem irgendwie zusammenhängt: die kulturelle Konstruktion der Geschlechter mit den Codierungen der Liebe, die Liebesdiskurse mit der sprachlichen Inszenierung des Begehrens, das Begehren mit der medialen Substitution des Körpers durch die Schrift und so weiter und so fort – Konstruktionen, so weit das Auge reicht. Das Irgendwie und der Blick aufs große Ganze kennzeichnen auch die programmatischen Überlegungen, mit denen Renate Stauf, Annette Simonis und Jörg Paulus den hier zu besprechenden Sammelband einleiten. Er präsentiert die Ergebnisse einer Tagung, die 2006 im Rahmen eines Projekts zur Liebesbriefkultur in Braunschweig stattfand. 1 »Liebeskorrespondenzen«, so heißt es einleitend (und ähnlich dann noch einmal im Beitrag von Renate Stauf),

[3] 
nehmen nicht nur im Leben von Individuen einen wichtigen Platz ein, sie haben auch im Kultursystem eine weitreichende überindividuelle Bedeutung. Der Liebesbrief gibt Auskunft über die Verfasstheit des Individuums, das Verhältnis der Geschlechter, den Ort von Intimität, die Mitspracherechte von Familie und Gesellschaft, das Zusammenspiel von Affekten und Regeln. (S. 1; vgl. auch S. 402 f.)
[4] 

Der Tagungsband unternimmt den Versuch, »eine wissenschaftliche Basis« für »eine Geschichte des Liebesbriefs« zu liefern, »in der Liebeskorrespondenz zum ersten Mal als Phänomen sui generis betrachtet wird« (S. 2) und die »Liebesbriefe als kulturanthropologische Zeugnisse und als besondere ästhetische Kommunikationsformen zugleich« (S. 2) wahrnimmt:

[5] 
Als ästhetische Kommunikationsformen betrachtet, stehen Liebesbriefe unter den spezifischen Ordnungsregeln von Sprache und Schrift. Dabei wirken normative und performative Faktoren zusammen (Brieflehren, Briefsteller, Sprachregelungen, Sprachzweifel, sprachliche Tabus). Als kulturanthropologische Zeugnisse sind Liebesbriefe Dokumente eines noch nicht reglementierten Zusammenspiels von Affekten. (S. 6)
[6] 

Das ist so vage, dass es nicht ganz falsch sein kann. Vage ist die Rede von den »spezifischen Ordnungsregeln von Sprache und Schrift«, weil Sprache gar nicht anders denn als regelgeleitete Praxis gedacht werden kann, das Spezifische dieser Ordnungsregeln aber nicht weiter expliziert wird. Unklar ist zudem, worin das ästhetische Moment liegen soll, das den Liebesbrief zu einer ästhetischen Kommunikationsform macht. Nicht weiter erörtert wird überdies, welches Phänomen mit dem Begriff »Liebesbriefkultur« eigentlich betrachtet werden soll: Briefe, in denen jemand um einen anderen wirbt beziehungsweise Liebende einander ihre Liebe beteuern (Liebesbekenntnisse also), oder ganz generell: Briefe von Paaren? Dass Liebesbriefe – in kulturanthropologischer Hinsicht – »Dokumente eines noch nicht reglementierten Zusammenspiels von Affekten« (S. 6) sein sollen, deutet auf die erste Lesart der Formel hin – die Beiträge selbst behandeln allerdings überwiegend und ganz selbstverständlich die Korrespondenz von Paaren in allen möglichen Lebenslagen. 2

[7] 

Nun hat die von Germanisten betriebene Kulturanthropologie bekanntlich viel mit Kultur, aber kaum etwas mit Anthropologie zu tun. Deshalb wundert es nicht, dass auch das Phänomen »Liebe« begrifflich nicht weiter präzisiert wird. Wenn man immer schon davon ausgeht, dass Liebe nur in ihren sozialen Codierungen fassbar ist und sich ein Phänomen wie die »passionierte Liebe« erst im 18. Jahrhundert konstituiert hat, ist das auch nicht weiter von Belang. Dass die einschlägige anthropologische Forschung mit guten Gründen und äußerst phänomengerecht zwischen Lust (lust), Anziehung (attraction) und Verbundenheit (attachment) zu unterscheiden weiß und diese Differenzierung den Status einer kulturellen Universalie beanspruchen kann, 3 tut dann nichts zur Sache. Denn dann sind Briefe von Verliebten Liebesbriefe so gut wie die Briefe einander liebevoll Verbundener. Solche elementaren Unterscheidungen werden einer »Kulturanthropologie« geopfert, die auf dem intuitiven Gegensatz von Affekten und ihren Reglementierungen beruht und das Individuum in ein »Kräftefeld von Schriftregime und Gefühlsanarchie« (S. 7) gestellt sieht, in dem es sich, Liebesbriefe schreibend, entwirft. Theatralisch genug hört sich das jedenfalls an.

[8] 

Ein Phänomen und seine Diskurse

[9] 

An die Stelle einer differenzierten Exposition des Liebesbriefs als eigenständiges Phänomen der Kulturgeschichte tritt eine Reihe von Kontexten, ein »Netzwerk anthropologischer, medizinischer, moralischer und soziologischer Diskurse« (S. 5), in dem die für das Thema relevante Forschung die »Gefühlskulturen« verortet. Dabei sehen die Herausgeberinnen die Eigenständigkeit des Liebesbriefs darin begründet, dass er sich mit den »gesellschaftlichen Codierungen von Liebe« nicht restlos verrechnen lässt und sich gegen die überindividuelle »Ordnung der Gefühle« behauptet:

[10] 
Hatte die Forschung sich bisher auf die Frage konzentriert, welche gesellschaftlichen Codierungen von Liebe in Liebesbriefen aufgenommen werden, so treten nun neue Perspektiven in den Blick. Es zeigt sich, dass wir noch wenig darüber wissen, ob und inwiefern Liebesbriefe von sich aus die gesellschaftliche Auffassung von Liebe und die Ordnung der Gefühle mitprägen. Kann das Liebesgespräch in Briefen nicht auch soziale Muster einüben oder bestätigen? Trägt es nicht auch aktiv zum Wandel privater und öffentlicher Kommunikationsformen bei? Ist es nicht vielleicht sogar das bevorzugte Medium, in dem solche überindividuellen Vorgaben auf provokante Weise außer Kraft gesetzt und die gesellschaftlichen Codierungen von Liebe vorangetrieben werden? (S. 6 f.)
[11] 

Die Antwort auf solche Fragen kann nur lauten: Sie sind falsch gestellt, weil sie auf unhaltbaren Prämissen beruhen. Diese Prämissen konstruieren einen Gegensatz zwischen dem einzelnen Phänomen und dem kulturellen Kontext, in dem es zu verorten ist, und provozieren dann die Frage, wie sich diese beiden Instanzen zueinander verhalten. Dieser Auffassung aber wird man sich schon deshalb nicht anschließen können, weil sie keinen Sinn für die grundsätzlich genetische Dimension sozialer Phänomene hat. Soziale Phänomene zu rekonstruieren heißt, Prozesse zu verstehen, in denen das intentionale Handeln Einzelner zwangsläufig nicht intendierte Folgen zeitigt. 4 Das gilt vorab für die Sprache selbst (ihr Wandel ist »eine notwendige Folge unserer Art und Weise, von ihr Gebrauch zu machen«), 5 selbstredend aber auch für komplexere Phänomene wie kommunikative Gattungen und, wie im vorliegenden Fall, für die Intimkommunikation im Medium des Briefes. Fragen wie: »Kann das Liebesgespräch in Briefen nicht auch soziale Muster einüben oder bestätigen?« sind vor diesem Hintergrund genau deshalb unverständlich, weil das »Liebesgespräch in Briefen« in einer entfalteten Schriftkultur eine zentrale Form ist, in der sich Intimkommunikation vollzieht. Naheliegender wäre es daher gewesen, nach der Differenz zwischen einer Gefühlskultur zu fragen, die sich – wenn überhaupt – ausschließlich im Medium des Gesprächs vollzog, und einer Gefühlskultur, in der das Liebesgespräch (oder das »beredte Schweigen«) um die schriftliche, das heißt interaktionsfreie, aber ihrem kommunikativen Duktus nach interaktionsnahe Mitteilung im Medium des Briefes erweitert wurde. 6 Wer dies bedenkt, dem wird unmittelbar einleuchten, dass die Verschriftlichung der Kommunikation einen Verbalisierungszwang erzeugt, der gerade dort, wo sich das Wesentliche wortlos vollzieht, zum Problem – und damit zugleich auch zur Chance – wird. (Eine Geschichte des Liebesbriefs wird es deshalb vermutlich nur als Teil einer solchen Geschichte personaler Artikulationsmöglichkeiten geben können.)

[12] 

»Ich liebe dich inniglich«

[13] 

Umberto Eco hat in seiner Nachschrift zum »Namen der Rose« suggeriert, ein postmodernes Bewusstsein könne den Satz »Ich liebe dich inniglich« nur noch zitierend und damit ironisch formulieren. 7 Aber diese pointierte Reflexion kann nur jemandem in den Sinn kommen, für den sich die Sprache schriftlich objektiviert hat, sodass er sie unwillkürlich interaktionsfrei denkt. Wer Liebesbekenntnisse primär als Formulierungsproblem wahrnimmt, ist nicht postmodern, sondern Schriftsteller – oder eben damit befasst, »Beteuerungen der Gefühlsaufrichtigkeit« (S. 1) auf ihre vorgebliche Authentizität hin zu befragen: »Schon in intimen Korrespondenzen des 18. Jahrhunderts«, so die Auskunft der Herausgeberinnen, »ist die Briefsprache nicht so unmittelbar, wie es das zu dieser Zeit neu formulierte Ideal der Authentizität und die Idee eines unbestechlichen Ausdrucks des Empfindens vorgeben.« (S. 1)

[14] 

Nun ist aber bereits die Vorstellung, dass es darum gehen könnte, mit dem Satz »Ich liebe dich« (inniglich, über alles oder wie auch immer) über ein Gefühl und dessen Authentizität zu informieren, ein schriftzentristisches Missverständnis. Liebesbekenntnisse sind performative Gesten, die Beziehungen begründen und je neu aktualisieren. Der Satz »Ich liebe dich« gibt, face to face geäußert, nicht über ein seelisches Befinden Auskunft, sondern eröffnet eine Paarsequenz. 8 Er kann deshalb nur mit »ich dich auch« (nicht aber mit einem »mhm«, »ich weiß« oder »das sagtest du bereits«) beantwortet werden. Und ähnlich wird man feststellen dürfen: Wird die Frage nach der Liebe im Ernst gestellt, dann zählt all das, was man darauf mit Worten sagen kann, wenig – im Vergleich zu dem, was sich an der Äußerung selbst zeigt. 9 In Liebesangelegenheiten achten wir vorrangig darauf, wie sich jemand gibt und uns gegenüber verhält und alles Reden ist ein bloßer Teil dieses Ganzen. 10 Zum Formulierungsproblem im eigentlichen Sinn werden das Liebesbekenntnis, die personale Selbstdarstellung und die verbale Gestaltung der Beziehung deshalb erst dann, wenn sie sich ausschließlich im Medium der Schrift vollziehen. – So in etwa will sich mir der medien- und kulturanthropologische Problemzusammenhang darstellen, den die in der Einleitung exponierte »notwendigerweise polyperspektivisch[e]« (S. 18) Anlage des Projektes eher verstellt als zur Geltung bringt.

[15] 

Konturierungsversuche ...

[16] 

Wie haben sich die Beiträgerinnen und Beiträger zu den programmatischen Vorgaben des Sammelbandes verhalten? Sie haben versucht, sich auf den Liebesbrief ihren eigenen Reim zu machen. Darüber ist ein facettenreiches Spektrum an Untersuchungen entstanden, das, wie Jochen Strobel nüchtern konstatiert hat, zu einer Geschichte des Liebesbriefs nicht führen konnte. 11

[17] 

Die insgesamt 19 Beiträge 12 des Bandes werden von den Herausgeberinnen und dem Herausgeber in drei Gruppen gegliedert. Der erste Abschnitt (»Wunschbild«) versammelt Beiträge, »in denen die grundlegende Neukonstitution der Liebesbriefkultur im Verlauf des 18. Jahrhunderts sowie die Fortwirkungen dieser Neukonstitution reflektiert werden« (S. 8); die Beiträge zum Stichwort »Inszenierungen« thematisieren »Versuche, eine Briefkultur der Simulation zu etablieren« (S. 11); in der Rubrik »Transformationen« sind Beiträge zusammengefasst, »die sich der spezifischen Dialektik der Intimität zwischen den Polen des Verbergens und des Verlautbarens widmen« (S. 13).

[18] 

Es ist nicht leicht, sich die Logik dieser Ordnung verständlich zu machen. Ich versuche, die zentralen Ideen zu rekonstruieren und auf ihre Prämissen hin zu prüfen, und wende mich dann einzelnen Studien zu, insofern sich diese als wie auch immer rudimentäre Antwort auf das Programm der Tagung verstehen lassen oder als eigenständige Beiträge eigene Aufmerksamkeit beanspruchen.

[19] 

Die leidige Unmittelbarkeit

[20] 

Das Wunschbild, dessen Ursprung im 18. und dessen Spuren im 19. Jahrhundert die Beiträge des ersten Abschnitts nachgehen, lautet »Unmittelbarkeit« und wird von den Herausgeberinnen als »bürgerliches Liebesideal« und »empfindsamer Liebesdiskurs« (S. 9) identifiziert. Nun gibt es freilich keinen vernünftigen Grund, anzunehmen, dass Menschen nicht immer schon empfindsam waren und auch empfindsam liebten, also emotionale Bindungen aufbauten, und dass sich solche emotionalen Bindungen in dem Wunsch ausdrückten, jenen, denen man sich nahe fühlte, auch nahe zu sein. An jemanden gebunden zu sein, also zu lieben, ist identisch mit dem Wunsch, seine Nähe zu suchen – sei es, weil die Nähe der Person erregend ist, sei es, weil sie als solche Geborgenheit gibt. 13 Wenn die Systemtheorie von »Nahweltkommunikation« (Luhmann) und die Linguistik von einer »Sprache der Nähe« (Koch / Oesterreicher) spricht, dann ist mit diesen unaufgelösten Metaphern nichts anderes gemeint als die Tatsache, dass uns jene Personen, mit denen wir Umgang haben, vertraut werden (beziehungsweise dass wir mit jenen, die wir attraktiv finden, vertraut werden möchten) – und dass wir mit jemandem, der uns vertraut ist, anders und über anderes sprechen als mit Fremden. Fernweltkommunikation ist anonym; die Person wird in ihr als Person nicht sichtbar, weil es hier um die Vermittlung von sachbezogenen Informationen geht, für deren Relevanz die an der Kommunikation beteiligten Personen irrelevant sind. Die anonymen Diskurse der Schriftkultur (in bürokratischen, juristischen, wissenschaftlichen Handlungsfeldern) sind deshalb deren eigentliche Domäne. Intimkommunikation führt demgegenüber, wie Luhmann betont, immer einen »Personbezug« mit 14 und ist deshalb auf die Präsenz der Person (nicht einfach des Körpers) oder, sofern sie schriftlich vermittelt ist, auf deren Imagination angewiesen. 15

[21] 

In dem Maße, in dem der Schriftgebrauch im 18. Jahrhundert zum Alltag zumindest der »gebildeten Menschenklassen« wurde, bot sich den Zeitgenossen die Möglichkeit, das Medium Brief auch dazu zu nutzen, die Intimität schriftlich zu kultivieren. Die Briefkultur des 18. Jahrhunderts, die von den Herausgeberinnen zu Recht als »Neukonstitution« (S. 8), man wird wohl sagen müssen: als eigentlicher Beginn einer deutschsprachigen Briefkultur identifiziert wird, war die Folge dieser Verschriftlichung des kommunikativen Alltags (und wäre ihrerseits ohne die Verschriftlichung der Kultur als Ganzer, insbesondere ohne die Etablierung einer gemischt-geschlechtlichen, mediengestützten Erlebniskultur, nicht denkbar gewesen). 16

[22] 

Das Wunschbild »Unmittelbarkeit« besteht und bestand dabei nicht darin, dass sich im Schreiben ein Gefühl artikulierte, das den Brief zu einer »vorgeblich elementare[n] Lebensäußerung« (S. 18) werden ließ, sondern dass der Brief für den Leser (oder die Leserin) zu einer Imaginationsvorlage werden konnte, so wie er seinerseits aus der sprachlichen Begegnung mit sich selbst und / oder der imaginierten Begegnung mit dem Leser (beziehungsweise der Leserin) hervorging. Dass die schriftlich gepflegte Intimität eigene verbale Strategien erfordert, versteht sich deshalb von selbst. Die Vorstellung, dass das Medium Brief zwischen »Authentizität und Fiktion, Unmittelbarkeit und Raffinesse, Leben und Literatur changiert« (S. 23), wie Irmela von der Lühe meint, erscheint mir deshalb in der Sache ebenso haltlos wie der von den Herausgeberinnen profilierte Gegensatz zwischen dem »Bedürfnis nach sprachlicher Beglaubigung der Gefühle« und dem »Bewusstsein vom Inszenierungscharakter der Sprache« (S. 2).

[23] 

Inszenierungen
und Transformationen

[24] 

Was man sich unter den Inszenierungen vorstellen soll, mit denen eine »Briefkultur der Simulation« etabliert wird, ist schwer zu sagen. Von den Liebeskorrespondenzen, die in den einzelnen Beiträgen untersucht werden, heißt es, dass sie wesentlich von »Inszenierungspraktiken der Politik oder Para-Politik (z.B. im George-Kreis und bei d’Annunzio), der Geschlechter (z.B. bei Dino Campana und Sibilla Aleramo und im George-Kreis) und der Künste (u.a. bei Rilke, d’Annunzio und George)« bestimmt sind und dass dabei »in Fremd- und Kunstsprachen [...] neue Ausdrucksbereiche erschlossen werden« (S. 11). Diese »Briefkultur der Simulation« soll sich als Versuch verstehen lassen, »die Rituale bürgerlicher Brief-Behaglichkeit zu überwinden«, und kann insofern als Protest gegen die »Ökonomisierung der Affekte« (S. 11) gelten, die das 19. Jahrhundert hervorgebracht hat. Das lässt sich auch bei längerem Nachdenken nicht recht paraphrasieren.

[25] 

Als ähnlich unzugänglich erweist sich die Charakterisierung der dritten Rubrik des Bandes (»Transformationen«), die einen Blick auf die Diskurse wirft, »mit denen sich die Liebesrede in Briefen verknüpft (zum Beispiel die Musik, die Literatur, die Religion, die Philosophie, die Politik)« (S. 13). Diese, so heißt es weiter, »können nicht allein zum privilegierten Paradigma der intimen Kommunikation werden, unter ihrem Regime wird die Liebe oft selbst zu einer Erscheinungsweise des Kunstbegehrens« (S. 13). Es geht, so zeigt sich, vorrangig um den Brief und den Briefwechsel als Keimzelle für die Kunst: in Gestalt des Briefromans (Richardsons Pamela), als Requisit in der Oper (Rossinis Tancredi), als Materialgrundlage für ein literarisches Werk (Pückler-Muskaus Briefe eines Verstorbenen), als lebensbegleitendes journal intime und Laboratorium für die schriftstellerische Tätigkeit (Diderot), als Gegenstand einer philosophischen Reflexion über die Liebe (Kristeva); es geht auch um den Briefwechsel als Kunstwerk (Bachmann / Henze) und als Quelle des literarischen Schreibens (Kafka); es geht um die Transformationen des Briefes in Zeiten der neuen elektronischen Medien (Annette Simonis) und, ganz allgemein, um die »spezifisch[e] Dialektik der Intimität zwischen den Polen des Verbergens und des Verlautbarens« (S. 13) – eine Formel, die Renate Stauf in ihrer Charakterisierung des Briefwechsels zwischen Ingeborg Bachmann und Hans Werner Henze wieder aufnimmt (vgl. S. 16) und die die Herausgeberinnen vielleicht überhaupt dazu inspiriert hat, das Verhältnis von privatem Briefwechsel, literarischer Publikation und »Kunstbegehren« als Transformation aufzufassen, in der »ein reales oder fiktives Briefgespräch zum öffentlichen Ereignis« (S. 13) wird. 17

[26] 

... Facetten ohne Kontur
(quasi »Grenzdispositiv«)

[27] 

Bereits dieser für eine Rezension ohnehin zu lange, der Logik der Sache nach aber doch viel zu kurze Blick auf die Programmatik und die Rubriken des Sammelbandes macht deutlich: Eine Geschichte des Briefes konnte hier vor allem deshalb nicht entstehen, weil der kategoriale Apparat, den die Herausgeberinnen entwerfen, kaum durchdacht ist und weil eine Vorstellung davon, wie eine Geschichte des Liebesbriefs überhaupt aussehen könnte, gar nicht erst entwickelt wurde.

[28] 

Deshalb ist es nur konsequent, wenn die Einleitung, die die Konzeptlosigkeit des Bandes als seinen Perspektivenreichtum ausgibt, zwar darauf insistiert, dass der Liebesbrief ein »eigenständiges literaturgeschichtliches Phänomen« (S. 17) darstellt, diese Eigenständigkeit aber zunächst nur daraus abzuleiten weiß, dass sich »[m]anche der im Band untersuchten Liebesbriefe des 19. oder des 20. Jahrhunderts [...] liebesbriefhistorisch betrachtet sehr viel näher an der Liebessprache und an subjektiven Selbstbildern des 18. Jahrhunderts als an jenen des Realismus oder der Moderne« (S. 7) befinden. Dass im Liebesbrief »ältere Liebessprachen, wie sie zum Teil durch die literarische Tradition der Liebesromane vorgegeben werden, weiterhin präsent sind und in modernen Liebeskorrespondenzen als nahezu unerschöpfliches Zitatenrepertoire zu dienen vermögen« (S. 17), hat – so jedenfalls die agambenkundige These – damit zu tun, dass der Liebesbrief »als Phänomen ein Grenzdispositiv« ist, »in dem die äußeren Mitspracherechte (die ihn just zum Dispositiv im Sinne Foucaults machen) stets im Widerstreit mit autonomen Ansprüchen und den Realisierungen dieser Ansprüche stehen« (S. 18).

[29] 

Das ist offensichtlich eine Variante der Denkfigur vom Widerstand der Affekte gegen das Regime der Schrift, in dessen Kräftefeld sich das Individuum entwirft. Auf der Rückseite des Buches heißt es, übrigens ganz ohne Rekurs auf Agamben (und daher im Klartext): »Der Liebesbrief zeigt wenig Respekt vor gesellschaftlichen und historischen Maßgaben.« Den Liebesbrief als Phänomen der Kulturgeschichte aber gibt es nicht – zumindest nicht im Sinne der Herausgeberinnen. Es gibt Menschen, die einander zugetan sind und die in der Lage sind, sich schriftlich so bewusst zu artikulieren, dass die Korrespondenz zu einer eigenständigen Erweiterung des intimen Umgangs werden kann. Die »erstaunliche Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit« sowie die »Eigenwilligkeit« (S. 18) des Liebesbriefs ergeben sich nicht aus seiner von den Herausgeberinnen hypostasierten »doppelten Orientierung« (S. 18) – an äußeren Mitspracherechten (von Familie und Gesellschaft) und autonomen Ansprüchen (der Liebenden) –, sondern lassen sich wohl nur damit erklären, dass die Bedürfnisse derjenigen, die Liebesbriefe schreiben, einander gleichen und dass die Liebenden im Medium des Briefes immer wieder zu ähnlichen Ausdrucksformen finden.

[30] 

Ecos postmoderner junger Mann muss nicht nur mit einer belesenen Frau, sondern auch mit anspruchsvollen Lesern rechnen, die dem Gespräch heimlich beiwohnen und deren literarische Erwartungen Ecos Gedankenexperiment eigentlich bedient. Weil Briefe aber nicht an eine anonyme Medienöffentlichkeit gerichtet, sondern individuell adressierte Mitteilungen sind, die keinen der Literatur vergleichbaren Traditionszusammenhang ausbilden und für die es keinen vergleichbaren Konformitätsdruck gibt, lassen sie sich mit traditionellen literaturgeschichtlichen Etiketten (Empfindsamkeit, Romantik, Realismus, Moderne etc.) ohnehin nicht angemessen erfassen. – Wandlungsfähig und eigenwillig zu sein aber ist nichts, was den Liebesbrief für sich genommen zu einem »Faszinosum« (S. 18) machen muss. Im Gegenteil: Gäbe es nichts, was im Wandel konstant bliebe, ließe sich eine Geschichte des Phänomens überhaupt nicht schreiben. 18

[31] 

Aufs Geratewohl

[32] 

Jürgen Kaube haben einzelne Beiträge dieser Geschichte des Liebesbriefs eine inspirierende Lektüre geboten, weil er sich von ihnen in eine »Epoche« entführen ließ, die »voller Anregungen für unsere eigene« ist – »weil es unsere eigene ist«. 19 Anders als in Form einer kursorischen, eigenen Interessen nachgehenden Lektüre wird man diesen Band auch nicht zur Hand nehmen dürfen. Er versammelt Einzelstudien von und für Spezialisten und ist instruktiv, insofern er einzelne Korrespondenzen vorstellt und biographisch kontextualisiert. Manche Artikel freilich zeigen mehr oder weniger deutlich, wie sich die Beiträgerinnen und Beiträger an den programmatischen Vorgaben abarbeiten, sofern sie sich nicht selbst als Theoretiker des Liebesbriefs zu profilieren versuchen.

[33] 

Medium und Gefühl oder:
Nähe und Distanz

[34] 

Irmela von der Lühe, die in ihrem knappen Beitrag über den Briefwechsel zwischen Lessing und Eva König deren »Vergnügen am sprachlich-intellektuellen rencontre« (S. 33) nachzeichnet, sieht sich dazu genötigt, eigens zu betonen, dass die »Ebenbürtigkeit der Partner« nicht aus der brieflichen Kommunikation erwächst, sondern ihr vorausgeht: »Nicht das Medium modelliert in diesem Fall das Gefühl, sondern das Gefühl generiert den Gebrauch des Mediums« (S. 34). Das darf als Antwort auf den Hinweis der Herausgeberinnen gelten, dass die Liebe in vielen Fällen »aus dem Schreibprozess überhaupt erst hervorgeht« (S. 7).

[35] 

Nun ist freilich leicht einzusehen, dass die Frage nach dem Bedingungsverhältnis von Gefühl und Mediengebrauch unsinnig ist. Niemand käme auf die Idee zu behaupten, dass nicht das Gespräch die Liebe, sondern die Liebe das Gespräch generiert. Das Sprechen dient so gut wie das Schreiben dazu, einer Beziehung Ausdruck zu verleihen und diese Beziehung zu gestalten, und natürlich erweitert der Brief – wie sollte es anders sein – die Möglichkeit, einander kennenzulernen und nahezukommen. Reiner Stach hat diesen Zusammenhang in seiner Kafka-Biographie mit aller nötigen Deutlichkeit formuliert: »Briefe sind Ausdruck einer Beziehung, zugleich aber erzeugen sie diese Beziehung und formen sie. Sie können daher eine Beziehung suggerieren, die außerhalb des Briefverkehrs noch gar nicht existiert – so lange, bis sie in eine wirkliche umschlägt.« 20

[36] 

Friederike Fellner versucht in ihrem Beitrag zu Kafkas Briefen an Felice Bauer Reiner Stachs ebenso schlichte wie treffende Charakterisierung dieser Korrespondenz durch so manche theoretische Volte zu überbieten, beispielsweise durch die Unterscheidung zwischen Kafkas Brief-Ich und dem Schreiber-Ich Kafka – eine Unterscheidung, die der Einsicht folgt, dass jede Mitteilung, die sich nicht darauf beschränkt, Informationen zu vermitteln, auch eine Form der Selbstdarstellung ist, in der die Person als Person erscheint (ohne doch in ihr aufzugehen). Fellner möchte diese Evidenz aber offensichtlich zu der viel stärkeren, Bernhard Siegert beziehungsweise Friedrich Kittler verpflichteten These gesteigert wissen, dass sich in dieser Unterscheidung die spezifische Autonomie des Liebesbriefs als Literatur bekundet:

[37] 
Die Prämisse der Briefe, ihr Status als Literatur, ist die Basis für Kafkas Schreiben, dessen Gegenpol das Leben darstellt. Diese Opposition wird in der Unterscheidung von Brief-Ich, das eine Nähe im Leben suggeriert, und Schreiber, dessen Produktivität durch die epistolare Nähe bzw. Distanz bedingt ist, zugleich differenziert und aufgehoben. (S. 358)
[38] 

Wahr ist, dass Kafka (sein Schreiber-Ich) in den Briefen an Felice einen »Schonraum der Innerlichkeit« (Stach) (S. 369) und eine Nähe findet, die ihm in einem gemeinsamen Leben undenkbar scheinen. Dass sich darin das »Paradox des Mediums Brief« (S. 373) ausdrücken soll – »die Begegnung durch Papier und Tinte als Stellvertreter der Leiber der Liebenden« (S. 353) – gehört zu jenen Gedanken, mit denen sich der intellektuelle Mainstream selbst fasziniert. Aufschlussreich ist Fellners Beitrag, weil er Kafkas Briefe ausführlich zitiert. So lässt sich am Originaltext nachvollziehen, wie Kafka in Bildern der Berührung (nicht der Leiber übrigens, sondern der Hände) eine Vorstellung von Nähe entwickelt, in der Intimität und Autonomie eine heikle Balance finden.

[39] 

Es gehört zu den Entdeckungen, die man bei der unbekümmerten Lektüre dieses Sammelbandes machen kann, dass Kafkas Selbstverständnis als Schriftsteller und seine Vorstellung von Nähe eine bemerkenswerte Parallele in Rilkes Ethos der schriftstellerischen Arbeit und in seinem Konzept von Intimität findet. Erich Unglaub zeichnet sie in Rilkes französisch geführter Korrespondenz mit Adelmina Romanelli, die Rilke während eines Aufenthalts in Venedig kennengelernt hatte, nach und zieht die Linien zum literarischen Werk aus. Die Arbeit am Werk – »mon travail« (S. 192), wie Rilke sie nennt – hat für ihn Vorrang vor der Liebesbeziehung. Liebe gelingt dort, wo – so die Formulierung in einem Brief an Franz Xaver Kappus – »zwei Einsamkeiten einander schützen, grenzen und grüßen« (S. 190). Das ist nicht nur eine anspruchsvolle Philosophie der Liebe, sondern vielleicht auch eine Apologie des Liebesbriefs. Während Kafka, wie er schreibt, an dem »Zwitter zwischen Gegenwart und Entfernung« (S. 353) verzweifelt, zählt sich Rilke »zu den Menschen, den altmodischen, die den Brief noch für ein Mittel des Umgangs halten, der schönsten und ergiebigsten eines« (S. 181 f.).

[40] 

Netzwerke der Schriftkultur

[41] 

Theoretisch ambitioniert gibt sich auch der Beitrag von Jörg Paulus. Er ist dem gemeinschaftlichen Kommunikationsnetz gewidmet, in dem Jean Paul sein Konzept der »Tutti- oder Simultanliebe« (S. 41) – die »Utopie einer nicht-egoistischen Liebe« (S. 55) – zu verwirklichen sucht. Paulus versteht Jean Pauls »Postutopie einer Annäherung durch Entfernung« (S. 56) als »Ausweitung und Überwindung des empfindsamen Liebesdiskurses« (S. 9) und versucht nachzuzeichnen, wie Jean Pauls Korrespondenzzirkel, in dessen Zentrum junge Frauen stehen, zur Inspiration für ein literarisches Werk wird, das dessen Leserinnen mit dem Wunsch beseelt, »den Schöpfer dieser Dichtungen in ihr Leben treten zu sehen« (S. 49). So geht die Korrespondenz dem literarischen Werk voraus und wird durch das Werk um neue Korrespondenten erweitert – eine »Interferenz zwischen der Liebe in der Literatur und der Liebe im Leben« (S. 59), die Jörg Paulus zufolge eine Kulturgeschichte des Liebesbriefs stets in Rechnung zu stellen hätte.

[42] 

Man kann den gemischt-geschlechtlichen Korrespondenzzirkel Jean Pauls in einen instruktiven Kontrast zu einem anderen Netzwerk bringen, in dessen Zentrum Stefan George steht und dessen »platonisierender Eroskonzeption« (S. 223) eine Forschergruppe um Wolfgang Braungart (Christian Oestersandfort, Franziska Walter, Jan Andres) nachgeht. Wer sich für das Verhältnis der Geschlechter interessiert, ohne sich mit dem Passepartout-Argument der kulturellen Konstruktion zufriedengeben zu wollen, dem wird auffallen, dass sich im George-Kreis eine Ranghierarchie ausbildet, wie sie für reine Männergruppen charakteristisch ist, 21 und dass Georges Jünger diese Hierarchie in ihren Briefen »hochritualisiert« (S. 266) zur Geltung bringen, zum Beispiel in ihren Anrede- und Grußformeln, 22 an deren Wandel sich – so im Falle Gundolfs – die Beziehung der Briefpartner ablesen lässt (vgl. S. 254 f.). Bezeichnenderweise sind Gundolfs Liebesbriefe an Frauen im Ton so anders, dass man, wie Jan Andres bemerkt, »kaum den gleichen Autor vermuten würde« (S. 260).

[43] 

Solche Detailbeobachtungen an einem Briefkorpus, das in einem Sammelband über den Liebesbrief eigentlich eine Außenseiterposition einnimmt, können den Sinn dafür schärfen, dass man die Entstehung einer gemischt-geschlechtlichen Geselligkeit, die in der poetischen Literatur ihren Echoraum findet und die sich in ihren schriftlichen Ausdrucksformen von der Literatur inspirieren lässt, in der Tat als das entscheidende Datum in der Kulturgeschichte des Liebesbriefs betrachten muss – ein Zusammenhang, der durch einen undifferenzierten Fiktionalitätsbegriff zumeist verzerrt wahrgenommen wird, sodass sich reflexartig der Vorbehalt einstellt, hier schreibe und liebe jemand »nach Literatur« (S. 347).

[44] 

Lebensbegleitende Korrespondenz
und ästhetische Kultur

[45] 

Über dem Verdacht, Authentizität werde in solchen Fällen künstlich erschrieben oder sprachlich bloß suggeriert, gerät aus dem Blick, welch beachtliches Artikulationsniveau die Liebes- und Ehepaare des 18. und 19. Jahrhunderts in ihren Briefen entwickeln. Das zeigt sich an der Korrespondenz von Wilhelm von Humboldt und Caroline von Dacheröden (Cord-Friedrich Berghahn), Otto von Bismarck und Johanna von Puttkamer (Roman Lach), Hermann und Lucie von Pückler-Muskau (Andrea Hübener) oder auch an den Briefen Diderots und Sophie Vollands (Annett Volmer). Für Korrespondenzen wie diese kann gelten: »Der Brief wurzelt im Erleben, aber das Formulieren eines Briefes ist selbst ein Erlebnis, sofern es aus einem konzentrierten, ganz in sich eingezogenen Bewusstsein hervorgeht.« 23 Es handelt sich um Zeugnisse mehrere Jahrzehnte währender Dialoge, in denen die jeweilige Beziehung einen autonomen schriftlichen Ausdruck gewinnt.

[46] 

Dient der Brief Diderot und Sophie Volland vorrangig als ein »Überbrückungsmedium« (S. 307), das »den intensiven und unmittelbaren Austausch der Partner« (S. 296) ersetzt, so zeigt sich in den Briefen von Hermann und Lucie von Pückler-Muskau, wie elementar das gemeinsame Leben und die schriftliche Begegnung von einer ästhetischen Kultur geprägt sind, in der das Paar eine verbindliche Lebensdeutung findet, die früheren Generationen die Religion bot. Der Briefwechsel ersetzt hier »die gemeinsamen Lese- und Plauderabende« (S. 350 f.), er gibt der landschaftsästhetischen Diskussion Raum und erweitert die Möglichkeiten spielerischer Selbstdarstellung. Solche Korrespondenzen erinnern an Goethes Maxime: »Wer Wissenschaft und Kunst besitzt / Hat auch Religion; / Wer jene beiden nicht besitzt / Der habe Religion.« 24

[47] 

Im Kontext einer ästhetischen Kultur, die für die Zeitgenossen zum funktionalen Äquivalent für die Religion werden konnte, stehen auch die Beziehung zwischen Wilhelm von Humboldt und Caroline von Dacheröden sowie Johanna von Puttkamer und dem »wilden Bismarck« (S. 129), wie der Zweifler und Deist von den Freunden genannt wurde. Wilhelm lernt Caroline im »Tugendbund«, der empfindsamen literarischen Vereinigung um Henriette Herz, kennen, und auch Bismarck und Johanna von Puttkamer finden zueinander in einem poesie- und musikbewegten Freundeskreis. Roman Lach vermittelt ein anschauliches Bild von diesem Briefwechsel, in dem »sich zwei krisenhafte Individuen aufeinander zu« (S. 134) bewegen, hochsensibel und verletzlich beide, beide besorgt, missverstanden und verkannt zu werden. Dass dieser Briefwechsel »an seiner Romantik zu scheitern« (S. 147) droht, wie Roman Lach resümiert, will man ihm nach der Lektüre der zitierten Quellen nicht recht glauben.

[48] 

Nicht weniger reizvoll ist das, was Cord-Friedrich Berghahn von den Brautbriefen Humboldts und Caroline von Dacherödens mitteilt. Die Briefe sind Zeugnisse eines Paares, das eine autonome Existenz wagt und diese als gemeinsames Projekt entwirft. Berghahn freilich kommentiert das Zwiegespräch des Brautpaares, Koschorke bemühend, so nichtssagend wie möglich:

[49] 
Die permanente Versicherung der Liebe wird im gegenseitigen Briefwechsel nicht nur zum Akt des symbolischen Tausches, in dem der exzessive Gebrauch der Schrift die Absenz des realen Körpers kompensiert, sondern die Versicherung der Liebe und das »briefliche Strömen ein[es] auf Permanenz gestellten Bekenntnis[ses] von Liebe« werden selbst Akte der Performanz. (S. 91)
[50] 

Das Individuelle
und das Überindividuelle

[51] 

Als »methodologischen Individualismus« hat Rudi Keller eine kulturwissenschaftliche Forschungsstrategie bezeichnet, die den Mikrobereich des intentionalen Handelns mit dem Makrobereich seiner sozialen Effekte verknüpft, also zu erklären imstande ist, welche kulturellen Formen sich aus dem individuellen Handeln ergeben. 25 Die Rede von der kulturellen Konstruktion der Liebe und der Geschlechter ist gerade deshalb so unbefriedigend, weil sie keinen Sinn dafür hat, dass sich Soziales nicht beliebig konstruieren lässt oder vielmehr: sich nicht im eigentlichen Sinn konstruieren lässt, sondern aus dem individuellen Handeln ›wie von unsichtbarer Hand‹ entsteht. Dieses individuelle Handeln aber folgt immer auch Antrieben, die sich evolutionär ausgebildet haben. Kultur ist ein kollektives Phänomen; die menschliche Natur ist immer eine Sache des Individuums. Aber diese Natur gehört doch zugleich zur Ökologie, an die sich die überindividuelle Struktur der kulturellen Formationen, sofern sie Bestand haben will, anpassen muss. 26 Deshalb kann man nicht einfach durch den individuellen Brief hindurch auf die überindividuellen Geschlechterverhältnisse und Liebesdiskurse einer Zeit blicken. Es bedarf immer auch des vergleichenden Blicks über den Horizont der jeweiligen Zeit hinaus. Dann werden in den zahlreichen kulturellen Variationen Eigenqualitäten der menschlichen Natur sichtbar. Der »Geschlechterdualismus« ist ebenso wenig eine Erfindung des 18. Jahrhunderts wie die »Liebe als Passion«. 27

[52] 

»In Gutzkows Liebesleben 1848/89«, so befindet Barbara Potthast, »spiegelt sich die Revolution ebenso wie die reaktionäre Anpassung des bürgerlichen Liberalismus.« (S. 123) Potthast versucht den Briefwechsel und die verwickelte Beziehung zwischen Karl Gutzkow und seiner Geliebten, der Schriftstellerin Therese von Bacheracht, als exemplarisches Zeugnis eines historischen Wandels zu lesen: der Auflösung des vorrevolutionären Bildes der Frau als »Gefährtin« des Mannes (S. 110) und der nachrevolutionären Restituierung eines Frauenbildes, das die Frau auf den Innenraum der Familie festlegt. Die Faktenlage: Nach dem Tode seiner Frau Amalie trennt sich Gutzkow – ein Mann, »schwach«, »eitel« und, so die Diagnose Amalies, auf weibliche Anbetung angewiesen (S. 114) – von seiner Geliebten und heiratet Bertha Meidinger, eine bedeutend jüngere Frau, die ihn erotisch fasziniert und »ihr Leben ganz in den Dienst seines Hauses stellt« (S. 123). Das wird man wohl kaum mit den revolutionären Weltläufen verrechnen können; es ist so trivial wie das Liebesleben nur trivial sein kann: ganz gewöhnlicher Gender-Trash. 28

[53] 

Eine Korrespondenz
zum Sprechen bringen

[54] 

Liebeskorrespondenzen, so könnte man mit Goethe formulieren, sind Fragmente von Fragmenten: »das Wenigste dessen, was geschah und gesprochen worden, ward geschrieben, vom Geschriebenen ist das Wenigste übrig geblieben.« 29 – Die in dem Sammelband vorgestellten Korrespondenzen sind zum Teil nur unvollständig überliefert; in einigen Fällen handelt es sich, weil die Briefe der Partnerin fehlen (Wilhelmine Enke, Sophie Volland, Felice Bauer), nur um die Hälfte eines schriftlichen Gesprächs; und das, was überliefert ist, ist selbst nur Teil eines größeren Lebenszusammenhangs, der aus artikulierten und unartikulierten, bewussten und verborgenen Wünschen und Erwartungen, aus dem, was geschah, getan oder unterlassen wurde, gesprochen wurde oder ungesagt blieb, gewoben ist.

[55] 

Briefe sind deshalb spröde Kunstwerke und ihre Interpretation ist, insofern sie es sich zur Aufgabe macht, dieses Fragment der Fragmente zum Sprechen zu bringen, eine anspruchsvolle Kunst. Dazu bedarf es nicht nur der Rekonstruktion einer vergangenen und verloren gegangenen Lebenswirklichkeit, sondern auch eines Sinns für Formen der Selbstdarstellung und für den lebensweltlichen Horizont, in dem sich die Schreibenden bewegen. 30 Es liegt nahe, sich dieser Aufgabe durch forcierte Theoriearbeit und den Rückzug in die Bastionen der Paradoxie zu entledigen. Wie aufschlussreich es ist, ein Textkorpus ganz ohne modische Gedankenschleifen präsentiert zu bekommen, zeigt der Beitrag von Conrad Wiedemann. Er soll hier abschließend vorgestellt werden, weil er einen Sinn davon vermittelt, was eine Kulturgeschichte des Liebesbriefs alles zu entdecken hätte.

[56] 

Wiedemann hat einen Teil der Liebesbriefe Friedrich Wilhelms II. von Preußen an Wilhelmine Enke transkribiert und präsentiert ein erstaunliches Dokument – die »obsessive Briefschrift eines Halb-Naiven« (S. 68), die jeden stilistischen Anspruch vermissen lässt. Briefe, die in einem Berliner Alltagsidiom, einer »dialektal eingefärbte[n] Sprechsprache« (S. 69), verfasst sind, orthographisch fehlerhaft, syntaktisch anspruchslos, und die von ihrem Verfasser wie »ein lebensgeschichtliches Kleinod« (S. 67) aufbewahrt wurden. Wiedemann entdeckt in diesen Briefen so etwas wie »Rohmaterialen der gelebten Liebessprache« (S. 77), die gerade deshalb berühren, weil hier jemand liebt und schreibt, der mit der französischen Sprache aufgewachsen ist und nicht gelernt hat, wie man sich im Deutschen gekonnt ausdrückt. Ecos »ti amo disperatamente« findet hier sein außerliterarisches Urbild: »ich werde noch zuletzt dol vor lauter liebe werden« (S. 68).

[57] 

Die Faszination
des ungebetenen Lesers

[58] 

Wiedemann fühlt sich angesichts des Obsessiven und zugleich Unbeholfenen dieser Liebesbriefe an Roland Barthes Gedanken erinnert, dass die Liebesrede »eine (möglicherweise letzte) nichtdomestizierte Sprachform« (S. 72) sei. »Liebesbriefe«, so Wiedemanns Fazit,

[59] 
sind primär nicht literarische, sondern manische Rede. Jeder versucht sie zu schreiben, auch wer gar nicht schreiben kann. In diesem Sinn sind sie auch keine Kulturtechnik. Ich würde sie eher in die Nähe des Glaubens oder der Magie rücken. Im Gegensatz zu naiven Gedichten (einer Kulturtechnik), die uns so leicht ärgern können, sind uns naive Liebesbriefe schwerlich ein Ärgernis. Im Gegenteil. Glauben wir doch zu spüren, daß der Liebesbrief da am authentischsten ist, wo er naiv ist. Jedenfalls ist es mir beim Lesen der im Kern naiven Liebesbriefe Friedrich Wilhelms so gegangen. (S. 72)

Wiedemanns Intuition macht evident, dass die Frage nach der Authentizität von Liebesbriefen alles andere als geklärt ist. Die Chance, die sich dem Interpreten bei der Lektüre solcher Briefe bietet, liegt nicht nur darin, dass die Suche nach Liebesdiskursen hier kaum fündig wird; sie liegt auch in der Faszination, die von diesen Briefen ausgeht. Diese Faszination könnte zu einer Frage führen, die von Renate Stauf, Annette Simonis und Jörg Paulus gar nicht erst gestellt wurde. Sie lautet: Aus welchem Grund und zu welchem Ende liest man eigentlich Liebesbriefe, die nicht für einen bestimmt sind?

 
 

Anmerkungen

Vgl. den Tagungsbericht von Eva Meinecke in: Zeitschrift für Germanistik 17 (2007), S. 438–439.   zurück
In der Einleitung ist beiläufig davon die Rede, dass »in den allermeisten Fällen ein bereits gegebenes oder gesuchtes Verhältnis zu dem Adressaten oder der Adressatin des Briefes« dessen »Grundbezug« herstelle. (S. 1) Bemerkenswerterweise verschiebt sich in den deutschen Wörterbüchern die Bestimmung des Begriffs von der Auffassung, der Liebesbrief sei ein »Brief, in welchem man einer Person anderen Geschlechts seine Liebe erklärt oder versichert« (Campe 1809), zur funktional weniger strikt spezifizierten Erläuterung, der Liebesbrief sei ein »Brief, der Liebe erklärt oder unter Liebesleuten geschrieben wird« (Heyne 1892). Vgl. Eva Lia Wyss: »Dû bist mîn, ich bin dîn«. Deutschsprachige Liebesbriefe vom Mittelalter bis in die Gegenwart. In: Benedikt Burkard (Hg.): liebe.komm. Botschaften des Herzens. (Kataloge der Museumsstiftung Post und Telekommunikation 17) Heidelberg: Edition Braus 2003, S. 64–81, hier S. 79.   zurück
So die Differenzierung bei Helen Fisher: Lust, Anziehung und Verbundenheit. Biologie und Evolution der menschlichen Liebe. In: Heinrich Meier / Gerhard Neumann (Hg.): Über die Liebe. Ein Symposion. (SP 3233) München, Zürich: Piper 2001, S. 81–112. Dort, aus ethnologischer Perspektive, auch Karl-Heinz Kohl: Gelenkte Gefühle. Vorschriftsheirat, romantische Liebe und Determinanten der Partnerwahl (S. 113–138).   zurück
Ich folge hierin der Argumentation von Rudi Keller: Sprachwandel. Von der unsichtbaren Hand in der Sprache. 2., überarb. u. erw. Aufl. (UTB 1567) Tübingen, Basel: Francke 1994.   zurück
Ebd., S. 208.   zurück
Die hier zugrunde gelegte Unterscheidung zwischen dem Code und den Konzeptionsmöglichkeiten einer Äußerung beruht auf der zum linguistischen Klassiker avancierten Studie von Peter Koch / Wulf Oesterreicher: Sprache der Nähe – Sprache der Distanz. Mündlichkeit und Schriftlichkeit im Spannungsfeld von Sprachtheorie und Sprachgeschichte. In: Romanistisches Jahrbuch 36 (1985), S. 15–43. Zur weitergehenden Unterscheidung zwischen der sprachlichen Medialität und dem materialen Trägermedium einer Äußerung vgl. Christa Dürscheid: Medienkommunikation im Kontinuum von Mündlichkeit und Schriftlichkeit. Theoretische und empirische Probleme. In: Zeitschrift für Angewandte Linguistik 38 (2002), S. 37–56.   zurück
Ecos Gedankenspiel lautet bekanntlich: Ein junger Mann möchte einer jungen Frau sagen, dass er sie »inniglich« liebt (»ti amo disperatamente«), kann das aber so nicht tun, weil er weiß, dass die junge Frau klug und sehr belesen ist. Vgl. Umberto Eco: Nachschrift zum »Namen der Rose«. Aus dem Italien. von Burkhart Kroeber. München: Hanser 1984, S. 78 f. In der Tat: Belesenheit steigert die Ansprüche an das Niveau von Formulierungen. (Was Eco übrigens nicht sagt, aber in seiner Versuchsanordnung unwillkürlich zu verstehen gibt, ist: Männer werben, Frauen wählen; und gekonnt zu werben, ist der eigentliche Fitnesstest für Männer.)   zurück
Vgl. Peter Auer: Liebeserklärungen. Oder: Über die Möglichkeiten, einen unmöglichen sprachlichen Handlungstyp zu realisieren. In: Sprache und Literatur 61 (1988), S. 11–31.   zurück
Umgekehrt kann man inniglich liebend miteinander sprechen, ohne dabei von inniglicher Liebe zu sprechen. Zur Unterscheidung von kommunikativen Verfahren der Erlebensthematisierung und kommunikativen Verfahren des Erlebensausdrucks vgl. Reinhard Fiehler: Kommunikation und Emotion. Theoretische und empirische Untersuchungen zur Rolle von Emotionen in der verbalen Interaktion. Berlin, New York: de Gruyter 1990, S. 98 f.   zurück
10 
Luhmann hat dies in Liebe als Passion attributionstheoretisch ausbuchstabiert. Vgl. Niklas Luhmann: Liebe als Passion. Zur Codierung von Intimität. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1982, S. 23 ff. und 41 ff.   zurück
11 
Vgl. Jochen Strobel: Gefährliche Briefschaften. Zwei Bücher zur Konstruktion von »Liebe« und »Tugend« im Medium des Briefs seit dem 18. Jahrhundert. In: literaturkritik.de (2009), Nr. 6. URL: http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=13154&ausgabe=200906 (3.1.2010).   zurück
12 
Das Inhaltsverzeichnis ist auf der Website des Verlages zugänglich. Vgl. URL: http://www.degruyter.de/cont/fb/li/detail.cfm?id=IS-9783110200409-1 (3.1.2010).   zurück
13 
Für ein phänomengerechtes Verständnis des Komplexes Bindung und Nähe unverzichtbar ist Norbert Bischof: Das Rätsel Ödipus. Die biologischen Wurzeln des Urkonfliktes von Intimität und Autonomie. München: Piper 1985.   zurück
14 
Vgl. Niklas Luhmann (Anm. 10), S. 157.   zurück
15 
Albrecht Koschorke hat aus diesem Zusammenhang bekanntlich die Phantasie von einer epochalen Substitution des Körpers durch die Schrift entwickelt. Vgl. Albrecht Koschorke: Körperströme und Schriftverkehr. Mediologie des 18. Jahrhunderts. München: Fink 1999. Vorbehalte habe ich formuliert in: Sprachkunst 31 (2000), H. 1, S. 165–170.   zurück
16 
Uwe C. Steiner hat diesen Sachverhalt auf die etwas kryptische Formel gebracht, dass »aus den Medien der Liebe die Liebe zu den Medien erwächst«. Vgl. Uwe C. Steiner: Als die Schrift der Liebe Nahrung wurde. Zur Alphabetisierung der Empfindsamkeit. In: liebe.komm (Anm. 2.), S. 82–95, hier S. 83.   zurück
17 
Zu bedenken geben möchte man aber zumindest, dass die mediale Pointe und der ästhetische Reiz des Briefromans darin liegen, dass die Veröffentlichung eines intimen Briefwechsels seinen Leserinnen und Lesern die Möglichkeit bietet, einem intimen Briefwechsel auf ebenso intime wie nicht-öffentliche Weise beizuwohnen.   zurück
18 
Vgl. Rudi Keller (Anm. 4), S. 131 f. Die Geschichte eines Phänomens, das immer schon als kulturelle Konstruktion aufgefasst wird, lässt sich nicht schreiben. Dieser substantielle Widerspruch desavouiert, wie Gideon Stiening mit Nachdruck gezeigt hat, auch das Projekt einer kulturwissenschaftlichen Körpergeschichte, für die es den Körper nicht gibt. Vgl. Gideon Stiening: Body-lotion. Körpergeschichte und Literaturwissenschaft. In: Scientia Poetica 5 (2001), S. 183–215.   zurück
19 
Jürgen Kaube: Vollzugslust. Historie des Liebesbriefs. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 12 vom 27.05.2009, S. N3.   zurück
20 
Reiner Stach: Kafka. Die Jahre der Entscheidungen. Frankfurt/M.: Fischer 2002, S. 164.   zurück
21 
Vgl. Doris Bischof-Köhler: Von Natur aus anders. Die Psychologie der Geschlechtsunterschiede. Stuttgart, Berlin, Köln: Kohlhammer 2002, S. 304–323. – Braungart charakterisiert die Briefe Ernst Glöckners als »ein einziges, fortlaufendes Liebes-Unterwerfungsritual« (S. 263) – eine Beobachtung, die dazu anregen könnte, die Eigenart der »den Geschlechterrollen der Zeit entsprechende[n] Unterwerfungsbereitschaft« (S. 8), wie sie sich etwa am Briefwechsel zwischen Meta Moller und Klopstock verfolgen lässt, genauer zu betrachten.   zurück
22 
Die Bedeutung von Kosenamen, Anrede- und Grußformen wäre einer eigenen Betrachtung wert. Sie werden von einzelnen Beiträgern – etwa von Wiedemann (S. 71), Berghahn (S. 90), Unglaub (S. 188), Hübener (S. 339 f) – erwähnt, aber als solche nicht systematisch betrachtet. Vgl. dazu Ernst Leisi: Paar und Sprache. Linguistische Aspekte der Zweierbeziehung. 2., durchges. Aufl. (UTB 824) Heidelberg: Quelle & Meyer 1983, S. 17–33.   zurück
23 
Reiner Stach (Anm. 20), S. 164 f. – Dass das expressive Schreiben einen Einfluss auf die Stabilität einer Beziehung besitzt, gehört zu den bemerkenswerten Ergebnissen der Forschung von Richard B. Slatcher / James W. Pennebaker: How Do I Love Thee? Let Me Count the Words. The Social Effects of Expressive Writing. In: Psychological Science 17 (2006), H. 8, S. 660–664.   zurück
24 
Johann Wolfgang Goethe: Zahme Xenien aus dem Nachlaß. In: J.W.G.: Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens. Münchner Ausgabe. Hg. von Karl Richter u.a. München, Wien 1985 ff. Bd. 18, 1: Letzte Jahre 1827–1832. I. Hg. von Gisela Henckmann und Dorothea Hölscher-Lohmeyer. München, Wien: Hanser 1997, S. 58–83, hier S. 76. – Vielleicht wäre es tatsächlich lohnenswert, »die stillschweigenden oder ausdrücklichen Konfessionen religiöser Weltanschauung« (S. 161) in das Projekt einer »Kulturgeschichte des Liebesbriefs« mit einzubeziehen, wie Konrad Stock in seinem anschaulichen Beitrag über den Briefwechsel zwischen Dietrich Bonhoeffer und Maria von Wedemeyer anregt.   zurück
25 
Vgl. Rudi Keller (Anm. 4), S. 147 und 164. – Einem ähnlichen, dezidiert gegen Luhmann argumentierenden Programm folgt (wenn ich recht sehe): Günter Dux: Die Spur der Macht im Verhältnis der Geschlechter. Über den Ursprung der Ungleichheit zwischen Frau und Mann. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1992, S. 71 ff.   zurück
26 
Vgl. Norbert Bischof (Anm. 13), S. 561–580.   zurück
27 
Vgl. statt anderer Brita Rang: Zur Geschichte des dualistischen Denkens über Mann und Frau. Kritische Anmerkungen zu den Thesen von Karin Hausen zur Herausbildung der Geschlechtscharaktere im 18. und 19. Jahrhundert. In: Jutta Dalhoff / Uschi Frey / Ingrid Schöll (Hg.): Frauenmacht in der Geschichte. Beiträge des Historikerinnentreffens 1985 zur Frauengeschichtsforschung. Düsseldorf: Schwann 1986, S. 194–204.   zurück
28 
Die körperliche Abwesenheit der Frauen, an die sie schreiben, kompensieren Männer manchmal auf sehr bequeme und insofern äußerst konventionelle Weise. Das gilt nicht nur für Gutzkow, sondern, wie man leider viel zu spät erfährt, auch für Wilhelm von Humboldt (vgl. S. 106). Ausführlicher dargestellt wird dies im Fall von Pückler-Muskau, der von seinen »erotischen Eskapaden [...] gelegentlich in fröhlicher Zerknirschung und rücksichtsloser Freimütigkeit berichtet« (S. 343).   zurück
29 
Johann Wolfgang Goethe: Maximen und Reflexionen. In: J.W.G.: Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens. Münchner Ausgabe. Hg. von Karl Richter u.a. München, Wien 1985 ff. Bd. 17: Wilhelm Meisters Wanderjahre. Maximen und Reflexionen. Hg. von Gonthier-Louis Fink, Gerhart Baumann und Johannes John. München, Wien: Hanser 1991, S. 715–953, hier S. 814.   zurück
30 
Vgl. Otto Ulbricht: Mikrogeschichte. Menschen und Konflikte in der Frühen Neuzeit. Frankfurt/M., New York: Campus 2009 – mit einem hier einschlägigen Kapitel über die Liebesbriefe des Goldschmiedegesellen Ehrenfriedt Andreß Kien, 1716–1717 (S. 207–255).   zurück