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Ein Straubinger entdeckt den Rio de la Plata

  • Franz Obermeier (Hg.): Reise in die La Plata-Gegend (1534 - 1554) = Viaje al Rio de la Plata y Paraguay / Ulrich Schmidel. (Fontes Americanae 3) Kiel: Westensee-Verlag 2008. LXXXIV, 266 S. 3 Abb. Kartoniert. EUR (D) 35,00.
    ISBN: 978-3-931368-16-6.
  • Franz Obermeier (Hg.): Ulrich Schmidel Ulrico Schmidl, Reise in die La Plata-Gegend 1534 - 1554. Das Stuttgarter Autograph in moderner Fassung. (Straubinger Hefte 58) Straubing: Johannes-Turmair-Gymnasium 2008. 158 S. 3 Abb. Kartoniert.
    [ohne ISBN]
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Das La Plata-Gebiet lag für die spanischen Entdecker und Eroberer zunächst abseits ihrer Interessensphäre, da sie mit der Erschließung lukrativer erscheinender Territorien in der Karibik und im Andenhochland beschäftigt waren. Erst 1516 erreichte Juan de Solis die La Plata-Mündung, elf Jahre später wurde dort die erste Siedlung gegründet, die freilich keinen Bestand hatte. Die Rivalität mit den Portugiesen und die Nachrichten von einem sagenhaften Land am Silberfluss (Rio de la Plata) veranlassten dann Kaiser Karl V. 1534, den Höfling Pedro de Mendoza mit der Inbesitznahme des Gebietes zu beauftragen. Zwei Jahre später erreichte eine ungewöhnlich große Flotte von 16 Schiffen mit 1600 Seeleuten und Soldaten die La Plata-Mündung, wo die Spanier zunächst Buenos Aires und 1537 Asuncion gründeten. Unter den angeworbenen Söldnern befand sich auch Ulrich Schmidel (1500/1510–1580/81) aus einer wohlhabenden Straubinger Kaufmannsfamilie stammend, der sich wohl als nachgeborener Sohn ohne größeres Erbteil und aus Abenteuerlust der Expedition angeschlossen hatte. Es sollte fast zwei Jahrzehnte dauern, bevor er in seine Heimatstadt zurück kehren konnte, dort Mitglied des städtischen Rates wurde, 1562 aber wegen seines Glaubens in das damals protestantisch dominierte Regensburg ausweichen musste, wo er auch verstarb.

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Schmidel überlebte als einfacher Soldat lange Jahre in einem Umfeld, dass von ständigen Gefahren, Gewalt, Entbehrung und Krankheit geprägt war. Das 1536 gegründete Buenos Aires musste fünf Jahre später in Folge einer Hungersnot unter den Europäern aufgegeben werden, die sich nach Asuncion zurückzogen. Die indianische Bevölkerung leistete häufig erbitterten Widerstand gegen die Eindringlinge, wurde aber von den waffentechnisch überlegenen Eroberern unbarmherzig abgeschlachtet oder versklavt. Schmidel fand trotzdem noch Zeit, seine Beobachtungen über die Bewohner, ihre Sitten und Gebräuche sowie Fauna und Flora des Landes festzuhalten, das er auf verschiedenen Zügen entlang der Flüsse Parana und Paraguay bis ins heutige Peru und in den Südosten Brasiliens kennengelernt hatte. Kurz nach 1554 hat der Autor wohl an Hand eigener Unterlagen seine Erlebnisse eigenhändig aufgezeichnet, die uns im sog. Stuttgarter Autograph (heute Württembergische Landesbibliothek) und drei weiteren Handschriften des 16. Jahrhunderts überliefert sind.

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Die Bedeutung dieses Berichts in seiner schnörkellosen, ungeschminkten Darstellung als frühe Quelle zur europäischen Geschichte der Region kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass im Laufe der Jahrhunderte immer wieder (auch nachträglich illustrierte) gedruckte Ausgaben sowie Übersetzungen in mehrere Sprachen erschienen. Die vorliegende Übertragung ins Spanische entstammt offenbar einer Ausgabe von 1948 von Edmundo Wernicke. Der deutsche Text folgt dem Stuttgarter Autograph und enthält neben den Varianten der verschiedenen Handschriften und erläuternden Fußnoten eine umfangreiche Bibliographie, Anmerkungen zu den behandelten Indianerstämmen und historischen Personen, eine Zeittafel und verschiedene Indices. Das sorgfältig edierte Werk stellt damit die seit Ende des 19. Jahrhunderts einzige verfügbare kritische Ausgabe dieser Quelle dar. Schmidels uns heute abenteuerlich erscheinende Orthographie (besonders auch bei den Eigennamen), zahlreiche Hispanismen und heute nicht mehr verständliche Ausdrücke sowie die elliptische Syntax machen die Lektüre des Originals nicht eben leicht. Deshalb entschloss sich der Herausgeber zu einer »modernen Fassung«, die sich möglichst eng an den ursprünglichen Text hält, aber dem heutigen Leser doch eine flüssige Lektüre erlaubt und neben einigen Illustrationen aus frühen Drucken eine historische Einführung, erläuternde Anmerkungen und eine ausführliche Bibliographie bietet. 1

 
 

Anmerkungen

Hingewiesen sei noch auf eine weitere aktuelle volkstümliche Ausgabe, deren flüssig lesbarer Text auf der sog. Münchner Handschrift beruht: Ulrich Schmidels Fahrt in die Neue Welt: die Reisen eines Straubingers. Aus dem Mittelhochdt. übertr. und hg. von Manfred Tremmel. Taufkirchen: Via Verbis Bavarica 2000.

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