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Generationsrede als erzählerische Strategie

  • Björn Bohnenkamp / Till Manning / Eva-Maria Silies (Hg.): Generation als Erzählung. Neue Perspektiven auf ein kulturelles Deutungsmuster. (Göttinger Studien zur Generationsforschung 1) Göttingen: Wallstein 2009. 262 S. Gebunden. EUR (D) 29,90.
    ISBN: 978-3-8353-0471-0.
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Generationen machen Karriere, sie werden ausgerufen, mit verschiedenen Etiketten versehen und wieder begraben – oft ohne dass die Betroffenen davon Kenntnis genommen oder sich dieser Generation zugeordnet hätten: ›Generation Golf‹, ›Generation@com‹, ›Generation X‹, ›Generation Berlin‹, ›Generation Schrott‹, ›Generation Ally‹, ›Generation Ost‹ oder ›Generation Doof‹. 1 Diese inflationär anmutende Verwendung des Generationenbegriffs im Feuilleton, in der Unterhaltungsliteratur, aber auch im Alltagsgespräch kann sich darauf stützen, dass scheinbar jeder weiß, was eine Generation ist und was sie ausmacht. Ihr Vorhandensein ist sowohl in synchroner Dimension – gemeinsamer Erlebnishorizont und gemeinsame Verarbeitungs- und Handlungsmuster – wie auch in diachroner Dimension – der biologischen und kulturellen Verknüpfung zwischen »Generationen« – häufig unhinterfragt.

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Analog diesem öffentlich-medialen Interesse, nicht zuletzt geschürt durch demographische Fragen wie Überalterung der Gesellschaft, Geburtenrückgänge, Rentenfinanzierung und deren wirtschaftliche Implikationen, ist das wissenschaftliche Interesse an dem Thema Generation in den letzten zehn Jahren enorm gestiegen. Eine ganze Reihe von Büchern und interdisziplinär ausgerichteter Projekte ist entstanden. So das Forschungsprojekt »Generationsidentitäten in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg« an der Universität Konstanz; das 2005 eingerichtete DFG-Graduiertenkolleg »Generationengeschichte. Generationelle Dynamik und historischer Wandel im 19. Jahrhundert« (Georg-August-Universität Göttingen) mit dem zu besprechenden Band; das interdisziplinär ausgerichtete Projekt »Generationen in der Erbengesellschaft. Ein Deutungsmuster soziokulturellen Wandels« am Zentrum für Literatur- und Kulturforschung in Berlin und der Universität.

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Anders allerdings als in der gelebten Alltagswirklichkeit und der medial inszenierten Öffentlichkeit ist der Generationenbegriff, so zeigen die Studien, kaum einheitlich zu fassen. Obwohl Soziologen, Historiker, Kultur- und Literaturwissenschaftler sich letztlich alle auf Karl Mannheims 1928 veröffentlichten Beitrag »Das Problem der Generation« beziehen, liegen sehr divergente Perspektiven auf das, was die Generationen zu Generationen macht, vor.

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In dieses in mehrfacher Hinsicht schwierige Feld stellt sich das Göttinger Graduiertenkolleg mit seinem Band Generation als Erzählung. Neue Perspektiven auf ein kulturelles Deutungsmuster. Der Sammelband, herausgegeben von Björn Bohnenkamp, Till Manning und Eva-Maria Sillies, geht auf die Abschlusstagung der ersten Kohorte der Doktoranden des Kollegs 2008 zurück.

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Zentrales Anliegen der Herausgeber und der einzelnen Autoren ist, die scheinbare Evidenz von Generation durch eine genaue Analyse ihrer Erzählweisen zu hinterfragen. Es gilt nicht zu bestimmen, was eine Generation sein soll, wie sie sich konstituiert, sondern herauszuarbeiten, wie und warum generationelle Zuschreibungen erfolgen, wie die »inneren Logiken« erzählt und plausibel gemacht werden.

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Damit eröffnen sich tatsächlich neue Perspektiven, wie der Untertitel des Bandes verspricht. In solch konsequenter Weise ist es bislang noch nicht gelungen, Generation und Narration auf dem Feld der Sozial-, Wirtschaftskultur, Geschichte und Literaturgeschichte zu untersuchen. Die ausgesprochen spannenden Fallstudien zu Firmengeschichten und Familienunternehmen, Rentnerkohorten und generationellen Prägungen im Wohlfahrtsstaat, Nachhaltigkeitsoptiken im amerikanischen Familienroman, Zeitzeugen-Interviews und den alttestamentlichen Erzvätern, um nur einige zu nennen, eröffnen ein breites generationelles Narrativ, das die Herausgeber unter vier Aspekte gegliedert haben: Generation als Argument, als Mythos, als Auftrag und als Konstrukt (S. 10). Alle vier Perspektiven können sich natürlich überlappen, oder Generationenerzählungen können mehrere Perspektiven in sich vereinigen. Daher erscheint die Zuordnung dem Leser nicht unbedingt zwingend. Gleichwohl stellt sie entscheidende Aspekte der Generationenerzählung heraus: Die generationelle Erzählung als Argument zu nutzen heißt, »Selbst- oder Fremdzuschreibungen von Individuen oder Gruppen zu einer Generation strategisch zu verwenden wie Inklusion oder Exklusion auszudrücken.« Die Generation als mythische Erzählung zu fassen bedeutet, auf eine »mythologisch aufgeladene Urszene« (S. 11) zu rekurrieren, die die ganze weitere Familien-, Unternehmer- oder Gesellschaftsgeschichte prägt. Mit der dritten Perspektive, generationelle Erzählungen als Auftrag zu begreifen, tritt das Ursprungsereignis in den Hintergrund und »die Weitergabe von Erlebnissen und Erfahrungen«, die Zukunftsprojekte in den Vordergrund. Gerade hier ist natürlich deutlich, dass Zukunftserzählung nicht ohne Fundierungsgeschichte, ohne Ursprungserzählung auskommt. Mythos und Auftrag sind also eng miteinander verknüpft. Was in den einzelnen Fallstudien deutlich herauskommt.

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Mit der letzten Perspektive, die generationelle Erzählung als Konstrukt zu begreifen, tritt eine gewisse Schwierigkeit auf. Soll Generation als Erzählung verstanden werden, so impliziert dies, dass diese gemacht, erzählt, konstruiert wird. Generationelle Erzählungen als Auftrag, als Mythos, als Argument beruhen auf Konstrukten. So zeigen die Beiträge dieser Abteilung dann auch eher die Grenzen, die Brüchigkeit oder auch Fragilität der Generationenerzählungen. Sie knüpfen dabei auf ganz unterschiedliche Weise an das Problem der Begrenztheit von Sprache an und weisen darauf hin – und das alles in Sprache –, dass diese unter bestimmten Umständen versagt (am Beispiel der Kriegskinder, der Kinder und Enkel der zweiten Generation verfolgter Juden).

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Dass damit auch »Grenzen des Konzepts« (die Deutung der Generation als Erzählung) aufgezeigt würden, wie die Herausgeber aus dem Befund schlussfolgern, erstaunt etwas. Denn nicht das Konzept trifft auf seine Grenzen, wenn es zeigt, dass es Dinge gibt, die jenseits der Erzählbarkeit liegen, sondern vielmehr die Generationenerzählung selbst.

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Einblicke und Ausblicke

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Die Einführung der Herausgeber in die Thematik »Generationelle Erzählungen in interdisziplinärer Perspektive« bietet nicht nur eine präzise Skizze der Beiträge, sondern eine stringente Explikation der Methodik und des Forschungsstandes.

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Besonders interessant ist in diesem einleitenden Teil das Kapitel »Generation und Narration«, denn es ist das Kernstück, durch welches sich der Band auch gegenüber allen anderen mehr thematisch orientierten Untersuchungen zu dem Thema absetzt. Die Autoren stellen hier den Transfer zur Erzähltheorie her – wobei sie sich auf Vera und Ansgar Nünning, Jörg Schönert so wie Matias Martinez und Michael Scheffel berufen.

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Erzählen ist, verkürzt und vereinfacht formuliert, eine Möglichkeit, eine zeitliche Ordnung mittels narrativer Verfahren in das fließende Geschehen zu bringen, eine Möglichkeit und Fähigkeit, Geschichten zu erzeugen, Sinn herzustellen und Identität zu stiften. 2 Anders ausgedrückt: Die Verfahren des Erzählens sind eine Art narrative Grammatik, mit der wir unsere Erfahrungen organisieren. Weiter gedacht: Durch Erzählungen werden »gesellschaftliche Wandlungsprozesse sowie historische, literarische, soziale und kulturelle Identitätszuschreibungen [...]«nicht nur »plausibel« gemacht (S. 19), wie die Autoren formulieren, sondern geradezu hergestellt. Jeder erzählerische Zugriff erzeugt bei ursprünglich gleicher Faktenlage eine andere Bedeutung und einen anderen Sinn. Der Erzählende kann sein Ich vom gegenwärtigen Wissensstand oder vom vergangenen aus fassen, er kann Zentrum und Held der Erzählung sein oder eine Randfigur, er kann die persönlich-biographischen Ereignisse mit einem weit reichenden Rückgriff in einen größeren historischen oder auch mythischen Kontext stellen usw.

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Mit der Erzähltextanalyse haben wir nun ein Verfahren, das die erzeugten Sinnmuster zu erkennen befähigt. Die Generationserzählungen unter diesen Gesichtspunkten zu analysieren, macht das Projekt so spannend. Denn letztendlich kommt der Untersuchende damit an den Punkt, an dem offenbar wird, wie der untersuchte Gegenstand, hier die Generationenerzählungen, hergestellt wurde. Es ist ein Blick in die Werkstatt des Erzählers.

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Dass die einzelnen Beiträge unterschiedlich stark auf diese »narrative Erzeugung« blicken, ist selbstverständlich.

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Von Erzvätern, Unternehmern und Rentnern

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Einige Beiträge seien herausgegriffen, alle zum Lesen empfohlen.

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In der ersten Abteilung »Generation als Argument« besticht neben »Familiale Einheit und generationelle Differenz« (Uta Karstein) und »Vom Zählen und Erzählen« (Björn Bohnenkamp) vor allem Malte Thießen mit seiner Analyse »Generation ›Feuersturm‹ oder Generation ›Lebensmittelkarte‹?«. Anhand von Interviews mit Zeitzeugen des Hamburger Feuersturms, deren Kindern und Enkelkindern über die Bedeutung des Luftkriegs im Familiengedächtnis zeigt er, wie und warum die Generation Feuersturm in Gesprächen Erinnerungen konstruiert. Generationenerzählungen werden hier primär als »Medium der Identitätsstiftung« begriffen (S. 34). Generation ist, nach Thießen, vor allem ein biographisches Argument, mit dem eine sinnvolle und konsistente Biographie hergestellt werden kann.

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Weiter führt Thießen aus, dass »Generationalität [...] ein Modus von Geschichtsbewusstsein« ist, das Vergangenheit in der Abhängigkeit von gegenwärtigem Kontext und einem Blick in eine vorgestellte Zukunft herstellt (S. 50). Schärfer formuliert: Generationalität ist Gegenwartsbewältigung. Dabei ist auffällig, dass persönliche Brüche, Probleme in »konsistenten Kollektiverfahrungen und sinnstiftenden Stereotypen« (S. 52) aufgelöst und dadurch verschwiegen werden können.

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Neben diesen grundsätzlichen Überlegungen über die Funktion von Generationenerzählungen macht Thießen mit den Analysen sichtbar, dass die Generation Feuersturm eigentlich eine Generation Lebensmittelkarte sein müsse. Denn weit prägender als der Feuersturm waren die Erfahrungen des Hungers und des Mangels. Und das vor allem nach dem Krieg. Das, so schlussfolgert Thießen, macht skeptisch gegenüber Forschungskonzepten, die Generation allein auf »historische Wendepunkte« zurückführen (S. 49).

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In der zweiten Abteilung, Generation als Mythos, stehen so unterschiedliche Fallstudien wie »Die Erzählungen über die alttestamentlichen Erzväter als Generationenerzählung« (Melanie Köhlmoos), »Unternehmensgeschichte im generationellen Paradigma« (Kim Christian Priemel) und »Medizinische und philosophische Aspekte der Generationenfolge in Thomas Manns Roman Buddenbrooks« (Katrin Max) nebeneinander.

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Den Gründungs- und Ursprungsmythos, das Erzählen der Urväter, der Herkunft und Abkunft verdeutlicht Melanie Köhmoos an der genealogischen Abfolge von Abraham über Isaak, Jakob bis hin zu Joseph. Sie zeigt, wie jede neue Generation aufgerufen ist, »das zeitlose Potential von Verheißung und genealogischem Erbe zu aktualisieren« (S. 104). Dabei sind die Erfahrungen der Einzelnen immer gleich, und gerade das Immer Gleiche –»das zeitlose, ewige soziale und religiöse Profil der Vatergeschichten« – macht den hohen Identifikationswert der Vätergeschichten aus.

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K.C. Priemel hingegen arbeitet den prägenden Gründungsmythos in den Generationenerzählungen der Unternehmen Krupp, Thyssen und Flick heraus. Er zeigt, wie der Urahn immer gleich konzipiert ist (der Aufstieg immer aus armen Verhältnissen erfolge, der Urahn immer ein homo universalis sei, die Einheit von Mann und Werk dazugehöre wie die Anspruchslosigkeit des Urahns) (S. 111). Angesichts solch eines Heros von Spitzenahn kann die narrativ logische Konsequenz, so Priemel, nur ein Abstieg der folgenden Generationen sein: die Degeneration.

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Dieser Betrachtung gegenüber steht der Beitrag von Christiane Lubinski des dritten Kapitels: »Die Zukunft erzählen: Generation als Auftrag.« Auch sie untersucht »Generationenerzählungen in mehrgenerationellen deutschen Familienunternehmen von ca. 1950–2000«. Dabei nutzt Lubinski von allen Autoren am meisten die von der Erzähltextanalyse bereitgestellten Instrumentarien, indem sie Aufbau und Struktur der Erzählung sowie erzählerische Verfahren in den Blick nimmt. Ihre Untersuchungen an drei Unternehmerfamilien machen deutlich, dass die primäre Intention von Generationenerzählungen hier ist, »eine mentale Verbindung zu konstruieren« und so »die Kontinuität zu garantieren« (S. 164). Gleichzeitig eröffnet die generationelle Erzählung auch die Möglichkeit, den Generationenwechsel als Zäsur zu verstehen und einen Neuanfang zu schaffen. So sind diese Erzählungen immer auch eine »implizite Aufforderung für die Zukunft« (S. 165).

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Aufschlussreich und horizonterweiternd mit der Verbindung von ökonomisch-ökologischen Interessen und Literatur ist, neben Daniel Flückigers »Sich mit den Fortschritt abfinden. Konservative Erzählungen des ›Übergangs‹ von 1798 in Bern«, der Beitrag von Jörg Thomas Richter: »Generationenzukunft zwischen Norm und Narrativ. Nachhaltigkeitsoptiken im amerikanischen Familienroman der Gegenwart«. Richter umreißt kritisch die heute kursierenden Vorstellungen von generationeller Zukunft am allseits eingeforderten Nachhaltigkeitsdenken. In den Nachhaltigkeitsforderungen der World Commisssion on Environment and Development (WCED) ist, so Richter, sichtbar, dass das Morgen vor allem als Risiko gesehen wird, dass es »zu managen« gilt. Nachhaltigkeit ist dann nicht nur ein gesteigertes Bewusstsein für gesellschaftliches und ökologisches Risiko, sondern nährt sich auch von dem Denken, dass die Zukunft der Gegenwart etwas vorhalten könnte: »›Wenn wir versagen‹, schreibt die WCED, ›werden uns das die zukünftigen Generationen nicht verzeihen‹« (S. 189). Diese relativ starre, auf demographische, ökonomische und ökologische Statistiken beruhende Zukunftsschau, aus der heraus eine fiktive Generationseinheit für politische Rechtfertigungen benötigt wird, fordert geradezu zum »fiktionalen Sandkastenspiel mit Generationalität« heraus, wie sie in den amerikanischen Gegenwartsromanen beispielsweise zu finden sind (S. 194). Richter zeigt mit seiner präzis-knappen Analyse, wie diese Romane gerade umgekehrt von der Unmöglichkeit erzählen, »das familiengenealogische Modell glaubhaft – d.h. ›realistisch‹ – und potentiell zukunftssicher gestalten zu können« (S. 194). Der Generationenroman ist ein Genre, in dem »Generationalität als Fabrikat gezeigt wird, gebaut aus Geschichten und Geschichtsformaten, die, obwohl trügerisch, dennoch in ihrem zwischenmenschlichen Funktionen vorgeführt werden« (S. 200).

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Vielleicht, möchte man anfügen, wäre es ganz angemessen, wenn die Statistikauftraggeber, -produzenten und diejenigen, die sie auswerten, einmal amerikanische Generationenromane lesen würden – aber, die richtigen. Denn ein großer Teil von ihnen bedient nicht das von Richter aufgezeigte Modell, sondern wählt die Form der klassisch-genealogischen Familienerzählung.

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Den Abschluss des Bandes bildet das vierte Kapitel: »Die Grenzen des Erzählens: Generation als Konstrukt« mit der für die Thematik typischen Beiträgen »Die Sprachlosigkeit der Kriegskinder« (Michael Ostheimer) und »Generationsbeziehungen in Familienromanen von deutsch-jüdischen Autoren der ›zweiten Generation‹« (Thomas Wallner). Der dritte Beitrag behandelt ein in den Geisteswissenschaften eher untypisches Problemfeld: »Rentnerkohorten und soziale Ungerechtigkeit. Fakt und Fiktion generationeller Prägungen im Wohlfahrtsstaat«. Christa May zeigt hier, dass das durch die Medien verbreitete wie in der sozialwissenschaftlichen Forschung propagierte Generationenkonzept (sinkende Fertilität, steigende Lebenserwartung, jüngere Kohorten bezahlen mehr in die Rentenkassen, als sie daraus erhalten werden, Verletzung des Generationenvertrages etc.) ein empirisch ungeprüftes Diskursprodukt ist. May arbeitet durch die Analyse der Erzählung von der Gewinner- und der Verlierergeneration heraus, dass diese pauschale Gegenüberstellung nicht haltbar ist und sich diese Zuordnungen, allein schon wenn man Faktoren nichtfinanzieller Art mit einbezieht, sich aufheben (S. 238). Das heißt, Generationenerzählungen sind nicht nur unpräzise, sondern verwischen geradezu soziale Strukturen. So dient die »Erzählung vom Generationenkonflikt um sozialstaatliche Ressourcen [...] der Rechtfertigung von Sozialreformen« (S. 239). Und weiter schlussfolgert May: »Im Kontext des Wohlfahrtsstaates taugen Generationskonzepte also vermutlich eher als Diskursphänomen denn als Kategorie neuer sozialer Ungleichheit« (S. 242).

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Zusammengenommen ein Projekt, das mit seinem breiten Spektrum an Darstellung und Analyse generationeller Narrative nicht nur seinem Titel »Generation als Erzählung« zu untersuchen gerecht wird, sondern dessen einzelne Beiträger auch in ihren Analysen interdisziplinär verfahren.

 
 

Anmerkungen

Vgl. Marc Szydik: Lebenslange Solidarität? Generationenbeziehungen zwischen erwachsenen Kindern und Eltern, Opladen 2000, S. 19 f. Szydik hat um die hundert unterschiedliche Generationen zusammengetragen, ohne dabei den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Er nennt diesen inflationären Gebrauch des Begriffs Generation sehr treffend: eine »Generationsetikettierungswut«.   zurück
Vgl. dazu ausführlich Michael Scheffel: Erzählen als anthropologische Universalie. Funktionen des Erzählens im Alltag und in der Literatur, in: Rüdiger Zymner/Manfred Engle (Hg.): Anthropologie der Literatur. Poetogene Strukturen und ästhetisch soziale Handlungsfelder, Paderborn 2004, S. 121–138.   zurück