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Ein Nachschlagewerk zur mittelalterlichen Buchmalerei

  • Helmut Engelhart (Hg.): Lexikon zur Buchmalerei (LzB). Erster Halbband: Adelphi-Meister - Kursive. (Bibliothek des Buchwesens 19,1) Stuttgart: Anton Hiersemann 2009. VI, 331 S. Gebunden. EUR (D) 184,00.
    ISBN: 978-3-7772-0920-3.
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Die Digitalisierung mittelalterlicher Handschriften und ihre Präsentation im Internet, die seit mehr als 10 Jahren von einer ständig wachsenden Zahl kleinerer und größerer Sammlungen vorgenommen wird, hat ebenso wie die fortschreitende Katalogisierung illuminierter Handschriften dazu geführt, dass sowohl dem Fachpublikum als auch interessierten Laien die überwältigende Fülle der in Büchern bewahrten mittelalterlichen Kunstschätze bewusst wird. Das gestiegene Interesse hat sich in einem sprunghaften Anstieg wissenschaftlicher und populärwissenschaftlicher Publikationen zur Buchmalerei niedergeschlagen, die dazu beitragen, dass sich die Buchmalereiforschung zunehmend von einem Randgebiet der Mittelalterkunstgeschichte zu einem eigenständigen, äußerst komplexen und spannenden Forschungsgebiet entwickelt. Ein Lexikon zur Buchmalerei, das sowohl den Fachwortschatz als auch Künstler, Werke, Kunstzentren und
–regionen gemeinsam mit Sachbegriffen aus Disziplinen wie Paläographie und Kodikologie präsentiert, fehlte bisher und ist deshalb ein wünschenswertes Unterfangen.

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Das von Helmut Engelhart herausgegebene, im Anton Hiersemann Verlag erschienene Lexikon zur Buchmalerei soll die Lücke füllen und in zwei Bänden mit ca. 1000 Artikeln Informationen zu allen Fragen der abendländischen Buchmalerei von den Anfängen in der Spätantike bis in die Zeit des Buchdruckes bieten und darüber hinaus Ausblicke auf Bereiche am Rande Europas, die für die abendländische Buchmalerei wichtig waren, ermöglichen (Vorwort des Herausgebers, S. V). Es ist als primäre Informationsquelle für Fachgelehrte und Laien gedacht und berücksichtigt neben den oben genannten Bereichen auch ikonographische Themen, Buchgattungen, Maltechniken, historische Persönlichkeiten und wichtige Autoren (S. V).

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Herausgeber und Verlag konnten sich bei der Durchführung dieses ambitionierten Projektes auf die zweite Auflage des im selben Verlag erschienenen Lexikons des gesamten Buchwesens (LGB²) 1 stützen (S. V) und aus dem dort vorhandenen Fundus die passenden Artikel auswählen, die zum Teil redaktionell bearbeitet und in einigen Fällen durch neuere Literaturangaben ergänzt wurden. Einige Autoren haben auf einem unveränderten Druck ihrer ursprünglichen Texte bestanden (S. V), andere erweiterten ihre Beiträge selbst in unterschiedlichem Umfang (zum Beispiel K. Eberlein: Autorenbild, U. Kuder: Krönungsevangeliar). Einige wenige Abschnitte wurden vollständig ersetzt, z.B. Bamberger Psalter (jetzt H. Engelhart), Brandenburger Evangelistar (jetzt B. Braun-Niehr), Buchornamentik (S. Westphal), Folkungepsalter oder Kopenhagener Psalter (jetzt P. Stirnemann).

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Darüber hinaus gibt es einige neue Stichwörter (mir sind ca. zwei Dutzend aufgefallen), bei denen es sich überwiegend um einzelne illuminierte Handschriften handelt. Sie lassen das ursprüngliche Konzept, ein Lexikon berühmter Handschriften herauszugeben (S. V), erkennen: Arenberg-Psalter, Bibelkommentar des Rashi aus Würzburg, Frankenthaler Bibel, Fries-Chronik, Fuldaer Sakramentar, Goldene Bulle und Hallesches Heiltumbuch (alle H. Engelhart); Amienspsalter (U. Kuder); Berliner Eneide (J. Hucklenbroich); Billyng-Bibel (W. Stork); Evangeliar Ottos III. (C. Jakobi-Mirwald); Kölner Malerbuch (D. Otrogge) u.a. Neu sind auch die Stichwörter Channel Style (U. Nilgen), De laudibus sanctae crucis (M. Embach), Fest- und Heiligenkalender (S. Corsten), Jakob Elsner (H. Engelhart) und Nicolaus Berschin (W. Berschin).

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Es ist fraglos trotz Sorgfalt und Umsicht von Herausgebern und Verlagen unmöglich, ein vollständiges Lexikon aller Begriffe zu veröffentlichen, zu welchem Thema auch immer, und so erscheint es müßig, Fehlstellen aufzuzählen. Für den Benutzer ist es vielleicht dennoch von Interesse, dass nicht (oder vergeblich?) versucht wurde, die im LGB² fehlenden fachspezifischen Termini zu ergänzen: so müssten eigentlich bewohnte Initialen erklärt werden, wenn es die Stichwörter historisierte Initiale und Figureninitiale gibt, oder Knollenblatt, wenn Dornblatt und Akanthus vorhanden sind (hier schlägt anscheinend noch das Interesse an spätmittelalterlicher Buchmalerei des Autors der meisten kunsthistorischen Artikel im LGB², Eberhard König, durch). Ein Abschnitt zur Buchmalerei in Deutschland fehlt ebenfalls (den gibt es auch im LGB² nicht), obwohl u.a. Artikel zu böhmischer, englischer, französischer, italienischer, äthiopischer und isländischer Buchmalerei oder -produktion vorhanden sind.

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Bedauerlich ist, dass in die Abbildungsqualität nichts investiert wurde, sie ist teilweise schlechter als im LGB² (vgl. Artikel Initialen von O. Mazal auf S. 273 und LGB², Bd. 3, S. 613). Angesichts des anvisierten Publikums, bei dem es sich doch vermutlich um bibliophile Kunstfreunde handeln soll, und des stattlichen Preises von 184 Euro pro Band, der andere Erwartungen weckt, erscheint die Begründung, dass auf ausführliche und gute Bebilderung zugunsten aktueller Literaturangaben verzichtet wurde (S. V), etwas befremdlich und nicht ganz zeitgemäß.

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Fazit

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Bei dem von Helmut Engelhart herausgegebenen Lexikon zur Buchmalerei des Anton Hiersemann Verlages handelt es sich um einen handlichen, redaktionell überarbeiteten und um einige aktuelle Literaturangaben und einzelne Artikel ergänzten, thematisch motivierten Auszug aus dem im selben Verlag erschienenen Lexikon des gesamten Buchwesens, dessen profunde, in zweiter, überarbeiteter Auflage zwischen 1987 bis 1995 (Bd. 1–4) erschienene Artikel von angesehenen und kompetenten Autoren verfasst wurden und die damit die im Vorwort angekündigten sachlich gediegenen Informationen bieten. Sie können Fachleuten ebenso wie Laien als erste Informationsquelle dienen.

 
 

Anmerkungen

Lexikon des gesamten Buchwesens. 2., völlig neu bearb. Aufl. Hg. von Severin Corsten u.a. Bisher 7 Bände und ein Registerband. Stuttgart: Hiersemann, 1987–2007.   zurück