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Die ältesten Rechnungen des Klosters Aldersbach

Edition einer wichtigen Quelle für Politik-, Wirtschafts- und Kulturgeschichte

  • Bernhard Lübbers: Die ältesten Rechnungen des Klosters Aldersbach (1291-1373/1409). Analyse und Edition. (Quellen und Erörterungen zur bayerischen Geschichte 47/3) München: C. H. Beck 10.02.2010. CLXXXVI, 682 S. Gebunden. EUR (D) 58,00.
    ISBN: 978-3-406-10412-1.
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Schatztruhen ...

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Als Quellen sind mittelalterliche Rechnungen Schatztruhen, die es zu heben und zu inspizieren gilt. Die Aldersbacher Rechnungen sind dies umso mehr als sie aus einer Zeit stammen, aus der die entsprechende Überlieferung noch eher dünn ist. Dass sie erst heute in einer systematischen kritischen Edition vorliegen, lässt sich nicht nur damit erklären, dass Karl August Muffat und Franz Bastian sie schon einmal für ihre Fragestellungen ausgewertet und ausschnittweise wiedergegeben haben 1 . Die Rechungen sind aber natürlich nicht nur Quelle für historische Einzelnachrichten zur »großen Politik« und die wirtschaftshistorische Spezialfrage der Zollfreiheiten. Es ist also unbedingt zu begrüßen, dass Bernhard Lübbers die Rechnungen nun in einer modernen kritischen Edition mit Kommentaren und einer umfangreichen Einleitung der Forschung zugänglich macht.

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Die Rechnungen

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Die Rechnungen führen die jährlichen Einnahmen und Ausgaben des Zisterzienserklosters 1291 bis 1362 mit wenigen Lücken (1336–40, 1347–50) und Nachzüglern bis in den Beginn des 15. Jahrhunderts auf. Dabei kann Lübbers überzeugend glaubhaft machen, dass die Rechnungen der beiden genannten umfangreichen Lücken nicht nachträglich verloren gegangen sind, sondern nie geschrieben wurden. Die Rechnungen liegen in zwei Serien vor, den Hauptrechnungen, welche die Einnahmen und Ausgaben des Klosters als ganzem buchen, und den Amtsrechnungen, in denen der Cellerar, der Weinmeister, der Kustos, der Klosterschuster, der Gastmeister, der Infirmar oder der Hofmeister über ihre individuellen Zahlungsvorgänge Rechenschaft ablegen.

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Die Texte sind kurz und formalisiert, aber inhaltlich vielfältig: Visitationsreisen, Nahrungsmittel, Kleidung und Handwerksarbeiten müssen ebenso bezahlt werden wie Schreibmaterial, Malerei (R 2503) oder Geschenke für den Hof. Die Rechnungswährung ist der Regensburger Pfennig. Lübbers weist zu Recht darauf hin, dass geographisch Passauer Pfennige näher gelegen hätten, auch wenn den Numismatikern geläufig ist, dass die Regensburger Prägungen gegenüber den Passauern in der ganzen Region dominieren.

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Die Sprache der Rechnungen ist lateinisch. Bei einer groben Durchsicht des 36seitigen Sachregisters sind mir nur 19 Wörter deutschen Ursprungs aufgefallen, die meistens Fachbegriffe für bestimmte Rechte sind. Personennamen sind natürlich weit häufiger. Für den Germanisten wird die Edition weniger als sprachliches und mehr als kulturhistorisches Dokument von Interesse sein.

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Die Transkription ist, soweit mit den beigegebenen Bildern feststellbar, präzise. Nur ein paar wenige Seitenwechsel sind falsch bezeichnet: Die Bezeichnung fol. 10r ist mindestens zweimal zu viel in den Text geraten, nämlich für 12r (113) und 12v (118) und im Abbildungsteil, wo fol. 12v abgebildet ist. Nicht ganz zuverlässig sind leider auch die Seitenangaben im Inhaltsverzeichnis. Aber das sind Kleinigkeiten, wenn man sich bewusst macht, dass Lübbers nicht nur über 160 eng beschriebenen Seiten transkribiert hat, sondern auch reiches Archivmaterial zu den historischen Aussagen der Rechnungen studierte.

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Die Einleitung

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Ein Ergebnis dieser Studien ist die umfangreiche Einleitung des Bandes, in der Lübbers nicht nur die Handschrift und seine Editionsmethode vorstellt, sondern auch die Geschichte des Klosters diskutiert. Die Klostergeschichte macht den Hauptteil der Einleitung der Edition aus (21*-111*). Sie wird ergänzt durch knappe Reflexionen über die Aussagen der Rechnungen zu zisterziensischen Verfassungscharakteristika (112*-137*) und Bemerkungen über die Wirtschaft des Klosters (138*-157*). Die Auswertung als wirtschaftshistorische Quelle gerät etwas knapp, wenn man bedenkt, dass Rechnungen originär wirtschaftshistorische Dokumente sind. Die Leistung des Editors schmälert das nicht, denn eine solche Auswertung ist mit dem vorliegenden Band gut vorbereitet. Der Schwerpunkt seiner Einleitung liegt ganz klar in der Politikgeschichte des Herzogtums Bayern. Das liegt nahe, denn Lübbers’ Darstellung der Abbatiate und der einschlägigen Nachrichten in den Rechnungen bestätigt den Eindruck, dass die Äbte von Aldersbach enge Beziehungen zu den wittelsbachischen Herzögen hatten. Die Einleitung kann einige neue Hinweise zu den Ereignissen der bayerischen Landesgeschichte in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts geben.

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Lübbers ordnet die Buchungstechnik korrekt in die bayerische Überlieferung von Rechnungen der Zeit ein, hält sich jedoch mit einer Stellungnahme zur Typologie von Mark Mersiowsky 2 zurück (14*-21*, 166*-168*). Mersiowskys Studie ist jedoch bislang die einzige, die ein Modell der Rechnungsentwicklung entwickelt hat. Es ist also darauf hin zu überprüfen ist, ob es sich von Territorialrechnungen auf andere Rechnungsgattungen übertragen lässt. Nach den beigegebenen Photographien zu urteilen wären die Rechnungen in diesem Modell als absatzgegliederte Textblockrechnungen zu beschreiben, die zwar vom Rotulus zum Codex übergegangen, aber bis zum Schluss auf Pergament geschrieben sind, wozu Lübbers eine nennenswerte Zahl von zeitgleichen Klosterrechnungen auf Papier als Gegenbeispiele anführt (160–1, FN 782). Ob das typisch für die Gattung »Klosterrechnungen« ist, werden hoffentlich Studien zeigen können, die sich der von Lübbers gelieferten Liste der Überlieferung von bayerischen Klosterrechnungen widmen (S. 19*f. FN 40).

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Zu den von Lübbers angewendeten Editionsprinzipien (184*-186*) sind zwei Anmerkungen angebracht: Er entscheidet sich gegen die von den Historikern für landeshistorische Quellen vorgeschlagene Form, Zahlen immer in römischen Ziffern darzustellen. 3 Das gibt den Quellenbefund treffend wieder, erschwert aber eine statistische Auswertung. Da die Buchungstexte für Berechungen ohnehin erst aus dem vorliegenden Buch abgeschrieben werden müssen, ist es zunächst keine nennenswerte Schwäche. Ebenso fällt der Umstand, dass die Edition keine digitale ist, vielleicht nur dem Rezensenten auf. Eine solche Editionsmethode könnte aber die Entscheidung, ob der originale Textbefund oder der Wert von höherem Interesse ist, dem Benutzer überlassen und die Zahlenwerte sofort in Kalkulationssoftware überführen. Sie hat also für Rechnungsschriftgut eine besondere Anziehungskraft. Dass sie zudem die Suche im Text deutlich erleichterte, machen die umfangreichen Register und die ausführlichen Verweise in den kommentierenden Fußnoten der vorliegenden gedruckten Edition weitgehend wett.

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... und die darin aufbewahrten Schätze

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Lübbers hat also eine gute Grundlage gelegt, um die Vielfalt der aus Rechnungsschriftgut zu ermittelnden Informationen für die Forschung nutzbar zu machen. Die Schatztruhe ist gehoben und ihr Inhalt auf dem Tisch aufgereiht. Den Gewinn, der sich daraus für die Politikgeschichte Niederbayerns in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts ziehen lässt, hat Lübbers in seiner Einleitung deutlich gemacht. Nun müssen Forscher die gewonnen Schätze in die Erarbeitung weiterer Erkenntnisse über das Zisterzienserkloster, die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts, in Studien zur Kultur-, Sozial-, Wirtschafts- oder Politikgeschichte investieren. Es sollte sich lohnen.

 
 

Anmerkungen

Karl August Muffat: Historische Notizen aus dem Rechnungsbuche des Klosters Aldersbach (1291–1362). In: Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte 1. München 1856, S. 442–474 und Franz Bastian: Das älteste Aldersbacher Rechnungsbuch und die Verwendung klösterlicher Zollfreiheiten im bürgerlichen Handel. Dießen b. München 1933.   zurück
Mark Mersiowsky: Die Anfänge territorialer Rechnungslegung im deutschen Nordwesten. Spätmittelalterliche Rechnungen, Verwaltungspraxis, Hof und Territorium (zugl. Diss. phil. Münster 1992). Sigmaringen 2000 (Residenzenforschung 9).   zurück
Walter Heinemeyer: Richtlinien für die Edition landesgeschichtlicher Quellen. Marburg, Köln 1978 (Gesamtverein der Deutschen Geschichts- und Altertumsvereine), S. 20.   zurück