IASLonline

Buchhandelsgeschichte des Deutschen Kaisereichs

Ein Abschluss mit Höhen und Tiefen

  • Georg Jäger (Hg.): Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Das Kaiserreich 1871-1918. (Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert 1.3) Berlin/New York: Walter de Gruyter 2010. 500 S. Hardcover. EUR (D) 159,95.
    ISBN: 978-3-598-24804-7.
[1] 

Überblick

[2] 

2010 erschien der dritte und damit letzte Teilband zur Geschichte des deutschen Buchhandels im Kaiserreich (1871–1918), neun Jahre nach dem ersten Band 2001. Wie bereits die anderen beiden Teilbände hat auch dieser seinen eigenen Verlag finden müssen und wurde vom Wissenschaftsverlag de Gruyter herausgebracht. Herausgeber und Hauptautor ist wie bei den Vorgängerbänden der inzwischen emeritierte Professor für Neuere Deutsche Literatur und Buchwissenschaft Georg Jäger. Ein so umfangreiches dreibändiges Handbuch mit unzähligen Beiträgern und Mitarbeitern über weit mehr als ein Jahrzehnt von den ersten Plänen bis zur Auslieferung des letzten Bandes zu konzeptionieren, zu betreuen sowie selbst wesentliche und umfangreiche Beiträge dafür zu liefern ist eine anzuerkennende Leistung. Unter den Mitarbeitern sind bekannte und seit der ersten Stunde bewährte Autoren wie der genannte Georg Jäger, Monika Estermann, Christine Haug, Gangolf Hübinger, Helen Müller und Reinhard Wittmann. Neu hinzu kamen Volker Titel, Angelika Eyselein, Rolf Parr, Jörg Schönert, Peter Vodosek und Siegfried Lokatis. Monika Estermann besorgte darüber hinaus Lektorat, Redaktion und das Register für alle drei Bände.

[3] 

Wie in den vorangegangenen Bänden werden die Themen in große, fortlaufend nummerierte Kapitel gegliedert, die nicht nur den aktuellen Forschungsstand anschaulich vermitteln, sondern gleichzeitig Fragen stellen sowie Desiderate benennen und auf diese Weise für Studierende und Forschende auf dem Gebiet der Buchhandelsgeschichte anregende Wirkung haben dürften. Gleichzeitig hat der vorliegende Band die Aufgabe, all jene Themenfelder abzudecken, die bisher nicht behandelt wurden und sich wohl nicht immer geschickt in größere Zusammenhänge einordnen ließen, so dass sich mitunter der Eindruck eines Gemischtwarensortiments nicht ganz vermeiden lässt. Es geht um die Organisation des Buchhandels, den verbreitenden Buchhandel (Sortiment und Antiquariat), Leseinstitutionen, Autoren, Bibliotheken, den Buchhandel im Ersten Weltkrieg und den Auslandsbuchhandel.

[4] 

Die Ausstattung auf gutem Papier und mit festem Pappeinband ist gewohnt solide.

[5] 

Buchhandelsorganisation

[6] 

Eröffnet wird der Band mit einem Beitrag von Volker Titel zu »Verbänden und Vereinen« (S. 5–59, Kap. 10). Er stellt die lokalen und überregionalen Verleger- und Sortimentervereine, den Verein Leipziger Kommissionäre und den Unterstützungsverein der Buchhändler vor. Ausführlich geht er auf den Börsenverein, seine Reformen, Usancen, Satzungen und Verkehrsordnung ein, beschäftigt sich mit Strukturen, Funktionen, Mitgliedern, Sonderthemen wie Frauen und Ausländer im Börsenverein oder der Schmutz-und-Schund-Debatte. Neben Einrichtungen und Initiativen des Börsenvereins wie dem bibliografischen Verzeichnis des deutschen Schrifttums kommen auch Konfliktfelder, beispielsweise die Streichung der Kundenrabatte und die Einführung des bis heute gültigen festen Ladenpreises für Bücher, in den Blick. »Auchbuchhandel« und »Bücherstreit« beschließen das Kapitel.

[7] 

Ärgerlich sind einige Fehler im Abschnitt »Kartelldiskussion und ›Bücherstreit‹«(S. 56–58), bei denen sich Titel fast ausschließlich auf den Aufsatz von Thorsten Grieser bezieht. 1 Grieser hatte nur mit gedruckten Materialien vornehmlich von Seiten des Börsenvereins gearbeitet und war zwangsläufig zu den »Eindrücken« in der Darstellung und Bewertung des Bücherstreits 1903/04 gelangt, die der Börsenverein und allen voran der damalige Vorsteher Albert Brockhaus mit ihrer ausgeklügelten Taktik in der Öffentlichkeit erzielen wollten. Das Archiv des Börsenvereins im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig sowie die Vereinsakten des Akademischen Schutzvereins im Universitätsarchiv Leipzig wurden hingegen nicht konsultiert. 2 Folgende Richtigstellungen seien kurz angemerkt:

[8] 

Der Akademische Schutzverein wurde am 14. April 1903 als »Verein der akademischen Produzenten und Konsumenten« gegründet, nicht im März 1903 als »Verein der akademischen Autoren und Bücherkäufer«, wie Gieser schreibt. 3 Erst am 27. April 1903 während einer Senatskommissionssitzung an der Universität Leipzig fiel der bis zuletzt gültige Vereinsname: Akademischer Schutzverein (ASV), der als Eigenname stets groß geschrieben wurde.

[9] 

Auch ist die erwähnte Kartellfrage im Buchhandel wesentlich älter als der Bücherstreit 4 und im Zusammenhang mit den umfangreichen Kartelldiskussionen im Deutschen Kaiserreich zu sehen, die vor allem vom Verein für Sozialpolitik ab 1879 angeregt und geführt wurden. Karl Bücher hatte bereits 1893, also zehn Jahre vor dem Bücherstreit, eine Untersuchung des Buchhändlerkartells initiiert. 5 Die berühmt gewordene Denkschrift Karl Büchers erschien erst im Juli 1903, nicht im Juni, wie von Titel fälschlich angegeben (S. 57).

[10] 

Es mögen im Einzelnen kleine Abweichungen sein, doch ein so umfassendes Handbuch, das als Standardwerk für Studium und Forschung über viele Jahre Grundlage sein wird, darf sie sich keinesfalls in einer solchen Häufung leisten.

[11] 

Anschließend befasst sich Monika Estermann mit Ausbildungsverhältnissen und dem Arbeitsmarkt im Buchhandel (S. 60–77). Damit hat sie sich wie schon des Öfteren ein interessantes, aber wenig beachtetes Thema gewählt, zu dem auch die Frauenfrage im Buchhandel und das Selbstbild gehören. Leider sind Quellen und Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet Mangelware und man kann nur hoffen, dass der gut geschriebene Aufsatz anregend auf die Zunft wirkt.

[12] 

Sortiment und Antiquariat

[13] 

Die Darstellung des verbreitenden Buchhandels teilen sich mehrere Autoren. Zuerst beschäftigen sich Georg Jäger unter Mithilfe von Angelika Eyselein (über Buchführung und Ladenlokale) und Christine Haug (über Bücher- und Lesestuben) ausführlich mit dem Sortimentsbuchhandel (S. 78–176). Es werden Selbst- und Fremdbilder der Buchhändler befragt, wirtschaftliche Aspekte, Rabatte und Schleuderei, Geschäftspraxis, Lagerhaltung, Kundenverkehr und -service, neue Marketingstrategien (Werbung, Reklame, Schaufenster), Buchführung und Geschäftshauskultur untersucht. Außerdem geraten Nebenerwerbszweige wie Leseräume, Kunsthandel, Buchbinder, Drucker, Papier- und Schreibwarenhändler in den Fokus. Wie immer bei Jäger fehlen die interessant geschilderten und mit Fotos versehenen Fallbeispiele nicht und so macht er anhand großer Buchhandlungen wie Grüneberg in Braunschweig, Nicolai in Berlin oder Gräfe und Unzer in Königsberg auf Typisches und Besonderes aufmerksam. Doch auch die dürftige Historiografie des Sortimentsbuchhandels hat ihre Ursache in einem Mangel an Quellen, so dass Jäger häufig auf gedrucktes Material wie Firmenschriften, Lehrbücher und Erinnerungen von Sortimentern zurückgreifen muss. Eine bisher wenig beachtete Quelle ist das Korrespondenzblatt des Akademischen Schutzvereins, der häufig auf die Jahre 1903/04 reduziert wird. 6

[14] 

Die drei Autoren machen das Beste aus der desolaten Quellen- und Forschungslage, dennoch ist eine weitreichendere Erforschung des verbreitenden Buchhandels wünschenswert und notwendig. Für eine systematisch-analytische Darstellung reichen die einzelnen Beispiele nicht aus. Fragen nach wirtschaftlicher Situation, Geschäftsstrategien, Einsatz und Wirkung von Werbung können kaum beantwortet werden.

[15] 

Zum verbreitenden Buchhandel gehört der konfessionelle und politische Sortimentsbuchhandel, der von Gangolf Hübinger und Helen Müller dargestellt wird (S. 177–194). Je ein kurzes Kapitel behandelt den katholischen, evangelischen, sozialdemokratischen und jüdischen Buchhandel. Der Beitrag ist gut geschrieben, aber man hätte sich als Leser mehr Informationen, ausführlichere Beispiele, Abbildungen und Vergleiche gewünscht. Die Wirkung des im Kaiserreich aufkommenden Antisemitismus auf jüdische Buchhändler wird nicht einmal erwähnt. Welche Rolle die einzelnen Sortimentertypen in Branchenverbänden wie dem Börsenverein oder dem Sortimenterverein spielten, wird nicht hinterfragt. Offen bleiben Fragen nach Anzahl und regionaler Verteilung der konfessionellen und politischen Sortimente. Vermutlich war auch hier die Forschungslage zu dürftig, da der Beitrag aber bereits 2004 abgeschlossen wurde (S. 177, FN 1), lässt sich fragen, ob man in den sechs Jahren bis 2010 nicht die eine oder andere Abschlussarbeit zu offenen Detailfragen hätte anregen und einfließen lassen können. So entstand ein Text, der sein interessantes und wenig bekanntes Terrain äußerst knapp abhandelt.

[16] 

Mit ihrem Beitrag zum Antiquariatsbuchhandel beschließen Georg Jäger und Reinhard Wittmann das Kapitel zum verbreitenden Buchhandel mit einer gelungenen Gesamtdarstellung, die sich auf viele Quellen und Literatur, umfangreiches Faktenwissen sowie interessante Abbildungen stützen kann (S. 195–280). Dieser Abschnitt macht viel Freude beim Lesen und knüpft an die Qualität der ersten beiden Bände an. Spannende Fragen werden aufgeworfen und die Darstellung wirkt anregend und inspirierend, vermutlich weil der Gegenstand ein Steckenpferd der Autoren ist, das nach langer Beschäftigung nun endlich ausgelebt werden konnte. Jäger und Wittmann gehen auf alle Aspekte des Antiquariats wie Geschäftsbetrieb, Berufsbild, Beschaffung, Lager und Kataloge, Preise, Auktionen und Markt, Internationalität, wissenschaftliches, bibliophiles und modernes Antiquariat, Spezialisierung, Kunden, wichtige Standorte und einzelne Firmen umfassend ein.

[17] 

Gewerbliche und gesellige Leseinstitutionen

[18] 

Mit den gewerblichen und geselligen Leseinstitutionen kommt die leihweise Buchverbreitung im Kapitel 12, das wiederum allein von Georg Jäger verantwortet wird, in den Blick (S. 281–341). Im ersten Abschnitt stellt er die Leihbibliotheken und Lesezirkel hinsichtlich ihrer historischen Entwicklung, Bestände, Novitäten-Lesezirkel, Zeitschriftenlesezirkel, das ambivalente Verhältnis der Lesezirkel zu Autoren, Verlagen und zum Kolportagebuchhandel vor. Im zweiten Abschnitt geht es um die Lesegesellschaften und literarisch-geselligen Vereine, deren Formen, Mitglieder, Zweck und Aktivitäten, Gesellschaftshäuser, Bibliotheken, Finanzierung und Geschäftsbetrieb. Beide Abschnitte hätten vielleicht auch zusammen in einem großen Kapitel behandelt werden können, um die einzelnen Formen der Leseinstitutionen besser einander gegenüberstellen und vergleichen zu können. Gemeinsamkeiten und Unterschiede sowie eine tiefer liegende Struktur der sich offenbar ergänzenden, aber auch konkurrierenden Buchvermittlungsarten wären dann sichtbarer geworden. Auch eine stärkere Anbindung an die erst im 14. Kapitel behandelten Bibliotheken und Leserlenkung wäre denkbar und vermutlich für den Gegenstand erhellend gewesen. So wären die sich historisch wandelnden und einander abwechselnden Formen in einem größeren Zusammenhang und stärker im Zeitkontext erfassbar gewesen, scheinen diese bücherleihenden Vermittler doch alle einander verwandt zu sein und sich ihre Möglichkeiten und Grenzen zu überschneiden.

[19] 

Abgesehen von solchen strukturellen Überlegungen macht die Mischung aus faktischem Überblickswissen, der klaren Benennung von Forschungsdesideraten und der gekonnten Einflechtung illustrierender Einzelfälle bei gleichzeitig guter Lesbarkeit für Fachleute wie interessierte Laien Jägers Texte zu einem Lesevergnügen.

[20] 

Autoren

[21] 

Im 13. Kapitel beschäftigt sich Rolf Parr unter Mitarbeit von Jörg Schönert (zur Professionalisierung) endlich mit den Autoren, die durchaus auch einen der vorderen Plätze verdient hätten (S. 342–408). Der Germanist Parr wählt einen eher germanistisch-theoretischen und sozialgeschichtlichen Zugang zu seinem Thema. Er reflektiert zunächst den Begriff des Autors und der Autorschaft sowie Fragen der Rolle und Professionalisierung, die um 1900 auch bei den Autoren Bedeutung gewinnen. Die literarischen Autoren und Journalisten stehen damit einmal mehr im Zentrum, während die wissenschaftlichen Autoren eher am Rande behandelt werden. Dies dürfte sowohl dem vorwiegend germanistischen Zugang wie dem Forschungsstand zum wissenschaftlichen Autor geschuldet sein. Stehen die wissenschaftlichen Autoren und Verlage doch erst seit den 1990er Jahren stärker im Interesse der Forschung und sind hier wenige Quellen wie Autor-Verleger-Briefwechsel in gründlichen Editionen vorgelegt worden. 7

[22] 

Ausführlich geht der Autor auf verschiedene Aspekte der wirtschaftlichen und sozialen Stellung literarischer Autoren ein, wie gesellschaftlicher Status und Ansehen, Autorenförderung, Honorare, Selbst- und Fremdbild, Interessenvertretung 8 , Modernisierung um 1900, Autoren im Ersten Weltkrieg und Geschlechterdifferenz. Intensiv widmet sich Parr der Spannung von Geist und Geld, der Ökonomisierung und Industrialisierung von Literatur und den Folgen für die Autoren sowie der Problematik einer angemessenen Entlohnung für geistige Tätigkeit. Abschließend werden Journalisten, wissenschaftliche Autoren, populärwissenschaftliche Autoren, Kinder- und Jugendbuchautoren, Übersetzer, Musikschriftsteller, formelle und informelle literarisch-kulturelle Gruppen in jeweils eigenen Abschnitten vorgestellt.

[23] 

Ein Wermutstropfen ist auch bei diesem Beitrag, dass er bereits 2006 abgeschlossen wurde (S. 342, FN 1). Aus dem Kapitel ging eine gering erweiterte Monografie von Rolf Parr und Jörg Schönert hervor. 9

[24] 

Bibliotheken

[25] 

In Kapitel 14 beschäftigt sich Peter Vodosek gut verständlich, übersichtlich und in angemessener Länge und Bebilderung mit den Bibliotheken und der Leserlenkung (S. 409–443). Von den Public Libraries in England und den USA als Vorläufern der Volksbibliotheken und Bücherhallen über Arbeiterbibliotheken, religiös und politisch geprägte Volksbildungsbewegungen, Vordenker und Wegbereiter, wissenschaftliche Bibliotheken bis zu Beständen, Krisen und Reformen informiert der Autor sachkundig. Er thematisiert das Verhältnis zu Buchhandel und Börsenverein und beschäftigt sich erneut mit dem Bücher-Streit 1903/04, wo es den Bibliotheken im Gegensatz zu den wissenschaftlichen Autoren gelang, von ihrem jährlichen Anschaffungsetat abhängige Sonderrabatte für sich zu verteidigen. Den Schluss bildet die Gründung der Deutschen Bücherei in Leipzig, die Vodosek gewissermaßen als Höhepunkt des deutschen Bibliothekswesens betrachtet.

[26] 

Buchhandel im Ersten Weltkrieg

[27] 

Mit Siegfried Lokatis‘ Ausführungen zum Buchhandel während des Ersten Weltkrieges kommen wir zu einem ausgesprochen anschaulichen Kapitel, das von seinen Quellen und zahlreichen Zitaten lebt (S. 444–469). Die Erklärungen, Anmerkungen und Bewertungen des Autors gehen fast unmerklich in originale Einschätzungen über. Der flüssig geschriebene und lesenswerte Beitrag bietet wenig Abbildungen, aber anschauliche und aussagekräftige Quellen. Die Ereignisse erfahren eine mitunter bedrückend reale Darstellung, die dem Thema stets angemessen ist.

[28] 

Als Spezialist für Zensurforschung geht Lokatis in seinem Beitrag von den rechtlichen Grundlagen für die Militärzensur aus, beschäftigt sich mit den Zensoren, der sich während des Krieges wandelnden Zensurpraxis und den Ausfuhrregelungen. Anschließend geht es um die Buchproduktion während des Krieges und die Buchversorgung der Soldaten an der Front durch fahrende Feldbüchereien.

[29] 

Auslandsbuchhandel

[30] 

Das 16. und letzte Kapitel ist den buchhändlerischen Beziehungen zum Ausland gewidmet und wurde von Monika Estermann bearbeitet (S. 470–517). Auch in diesem Kapitel musste die Autorin fehlende Quellen und Forschungsarbeiten durch die Analyse von wenigen besser dokumentierten großen Exportfirmen ausgleichen, was ihr gut gelungen ist. Estermann äußert sich solide zu allen wichtigen Aspekten des Exportbuchhandels. Sie stellt die Bedingungen für den Bücherexport vor und nach der Reichsgründung dar und geht anschließend auf den Beruf des Exportbuchhändlers ein. Es folgen die exportierenden Verlage mit Brockhaus und Herder als Protagonisten und die spezialisierten Exportfirmen wie Otto Harrassowitz (aus dem Antiquariat kommend). Außerdem bemühten sich Exportsortimente wie Gustav Adolph von Halem um den nicht ganz einfach zu bedienenden weltweiten Absatzmarkt. Estermann geht mit statistischem Material auf Absatzzahlen und -gebiete ein, auf deutsche Verlage und ihre Auslandsvertretungen wie den Musikverlag Breitkopf & Härtel oder den Kunstverlag Franz Hanfstaengl. Staatliche Förderung, Ausstellungen und der Untergang des Buchexports im Ersten Weltkrieg beenden das Kapitel.

[31] 

Buchhandelsepoche in Stichworten

[32] 

Auf Seite 518 bis 528 fassen Monika Estermann und Georg Jäger die großen Entwicklungslinien des Buchhandels in der Zeit des Deutschen Kaiserreichs thesenartig zusammen. Sie wollen damit einen groben Überblick über die Epoche geben und die breit angelegten Inhalte der drei erschienenen Bände in Brennpunkten fokussieren.

[33] 

Register

[34] 

Am Ende des vorliegenden dritten Bandes befindet sich das Register für alle drei Bände zum Kaiserreich, das von Monika Estermann erstellt wurde (S. 531–579). Es enthält lediglich Personen, Firmen und Organisationen, aber keine Stichworte und keine Orte. Eine Suche nach Sachthemen ist damit nicht möglich, was den Wert vor allem für Studenten mindert, da einzelne Themen nur über die sehr kleinteiligen und damit etwas unübersichtlichen Inhaltsverzeichnisse der jeweiligen Bände recherchiert werden können. Außerdem ergeben sich bei bekannten Verlagen wie dem Bibliographischen Institut, Brockhaus und Springer oder Institutionen wie dem Börsenverein so viele Fundstellen, dass ohne eine Gliederung nach zusätzlichen Schlagworten die Suche nach der richtigen Stelle zur berühmten Stecknadel im Heuhaufen wird. Ähnlich verhält es sich bei Personen wie Theodor Fontane, Johann Wolfgang von Goethe oder Adolf Kröner.

[35] 

Abschließende Bewertung

[36] 

Wie immer bürgen alle Beiträge, an denen Georg Jäger, Reinhard Wittmann, Monika Estermann, Peter Vodosek oder Siegfried Lokatis mitgearbeitet haben, für hohes Niveau, Lesegenuss und eine umfassende Behandlung des Themas. Insgesamt jedoch schwankt die Qualität der Beiträge. Besonders ärgerlich ist bei einem Ladenpreis von 159,95 €, dass sich zwei Beiträge von 2004 und 2006 darin befinden (Vgl. Hübinger/Müller und Parr/Schönert). Es ist anzunehmen, dass die Autoren damit auf starke Verzögerungen bei der Herausgabe des Bandes aufmerksam machen wollten. Aus Sicht derjenigen, die termingerecht ihre Beiträge liefern, ist der Ärger verständlich. Doch schon im Kaiserreich war allgemein bekannt, dass sich die Herausgabe mehrbändiger wissenschaftlicher Handbücher oder Nachschlagewerke nahezu regelmäßig verzögerte, damit musste und muss man als Mitarbeiter rechnen. Die wissenschaftlichen Verlage sind traditionell großzügig, wenn es um Abgabefristen und Erscheinungstermine geht. Häufig ist nicht der Herausgeber allein dafür verantwortlich, sondern einzelne Mitarbeiter, die ihre Beiträge nicht fristgerecht liefern. Die drei Verlagswechsel lassen auf weitere gravierende Probleme schließen. Unfair ist das Vorgehen vor allem gegenüber Lesern und Käufern, die einen Anspruch auf Aktualität haben. Zumal eine Einarbeitung aktueller Forschungsergebnisse keinen übermäßigen Aufwand bedeutet hätte bei der überschaubaren buchwissenschaftlichen Forschung. Einige Beiträge zeigen deutlich, dass die Zeit nötig war, um einen umfassenden Überblick über wenig erforschte Themen zu erarbeiten. Anderen Beiträgen hätte mehr Zeit und Aufwand gewidmet werden müssen, um ein einheitlicheres Qualitätsniveau zu erreichen.

[37] 

Bleibt zu hoffen, dass die Folgebände und deren Herausgeber diese Klippen besser umschiffen und die Geschichte des deutschen Buchhandels im Verlag de Gruyter eine bleibende Heimat gefunden hat. Entscheidend ist, dass dieses umfangreiche Großprojekt so enthusiastisch weitergeführt wird, wie es von Georg Jäger und seinen Mitarbeitern begonnen wurde.

 
 

Anmerkungen

Thorsten Grieser: »Der ›Bücher-Streit‹ des deutschen Buchhandels im Jahre 1903.« In: Buchhandelsgeschichte. Beil. zum Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. Frankfurt/M.: Ausg. 1/1996, B 17–28.   zurück
Sämtliche Originalquellen zur Geschichte des Akademischen Schutzvereins 1903 bis 1926, einschließlich einer Mitgliederliste, sowie zur Rolle Karl Büchers in diesem Verein wurden ausgewertet in: Alexandra Haase [jetzt Fritzsch]: »Karl Bücher und der Akademische Schutzverein.« In: Thomas Keiderling / Mark Lehmstedt / u.a. (Hg.): Leipziger Jahrbuch zur Buchgeschichte, Jg. 11, Wiesbaden: Harrassowitz 2001/02, S. 141–235.   zurück
Grieser: »Der ›Bücher-Streik‹«, B 18 f.: Vom 13. März 1903 hatte die Einladung Adolf Wachs an die Rektoren datiert, die Grieser vermutlich nicht kennt. Vgl. Universitätsarchiv Leipzig Rep. II/XI Nr. 140 Vol. I, Bl. 52 f. (Rundschreiben an die Rektoren, 13.03.1903). Für die unkorrekte Bezeichnung des Vereins, die er selbst in Anführungszeichen setzt, gibt Grieser keine Quelle an.   zurück
Vgl. die unkorrekten Ausführungen bei Grieser : »Der ›Bücher-Streik‹«, B 17.   zurück
Vgl. Ludwig Pohle: Das deutsche Buchhändlerkartell. Sonderdruck aus den Schriften des Vereins für Socialpolitik, Bd. 61. Leipzig: Duncker & Humblot 1895. Pohle (1869–1926) war Handelskammersekretär in Leipzig und kam zu einer positiven Einschätzung der Krönerschen Reform sowie des festen Ladenpreises für Bücher.   zurück
Der ASV gab von 1906 bis 1920 (mit einer Pause während des Ersten Weltkrieges 1914 bis 1918) eine Vereinszeitschrift heraus, die sich mit zahlreichen Aspekten des Buchhandels und der Bibliotheken sowie mit dem Urheber- und Verlagsrecht befasste und eine Gegenüberlieferung zum überstrapazierten Börsenblatt bietet.   zurück
Kürzlich erschienen ist eine Arbeit zum Berufs- und Privatleben eines bekannten wissenschaftlichen Autors um 1900, die sich aus den privaten Briefen der Gelehrten-Ehefrau speist: Beate Wagner-Hasel: Die Arbeit des Gelehrten. Der Nationalökonom Karl Bücher (1847–1930). Frankfurt/M.: Campus 2011.   zurück
Parr erwähnt auch den Akademischen Schutzverein als Interessenvertretung der wissenschaftlichen Autoren (S. 363). Hier wäre zu ergänzen, dass der ASV bis 1926 bestand und danach im Verband der deutschen Hochschulen (VDH) aufging, in dessen Verbandsorgan (Mitteilungen des VDH) publizierte der ASV ab 1921 eigene Beiträge.   zurück
Rolf Parr, Jörg Schönert: Autorschaft. Eine kurze Sozialgeschichte der literarischen Intelligenz in Deutschland zwischen 1860 und 1930. Heidelberg: Synchron 2008.   zurück