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Der Gewaltdiskurs der Moderne

Robert Musils poetische Reflexionen über Terror und Erlösung im Licht der Literaturwissenschaft

  • Hans Feger / Hans-Georg Pott / Norbert Christian Wolf (Hg.): Terror und Erlösung. Robert Musil und der Gewaltdiskurs der Zwischenkriegszeit. (Musil-Studien 37) München: S. Fischer 2009. 299 S. Broschiert. EUR (D) 35,90.
    ISBN: 978-3-7705-4828-6.
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Der Sammelband Terror und Erlösung. Robert Musil und der Gewaltdiskurs der Zwischenkriegszeit, herausgegeben von Hans Feger, Hans-Georg Pott und Norbert Christian Wolf, nimmt sich eines Themas an, das vordergründig in den Sozialwissenschaften, insbesondere seit den Anschlägen auf das World Trade Center in New York, als Kulminationspunkt sozialer und ökonomischer Konflikte in einer globalisierten, immer undurchsichtiger werdenden Welt kontrovers verhandelt wird. Dabei vermag Robert Musil, jener Denker des Widerspruchs und Seismograph gesellschaftlicher Dissonanzen, Erkenntnishorizonte zu eröffnen, die auch heute noch wichtige Perspektiven auf eine überkomplexe, unklar konturierte Wirklichkeit anzubieten vermögen. Wer glaubt, dass der zwischenkriegszeitlich fixierte Diskurs im Mann ohne Eigenschaften nur von historischem Interesse sei, dem ist dieses Buch dringend zu empfehlen, weil es mit detailreichen und klugen Analysen aufzeigt, dass der Konnex von Terror und Erlösung eine konstante Wechselbeziehung impliziert, die sich bis hin zu den Anfängen des 20. Jahrhunderts zurückverfolgen lässt – und das gerade über das Medium der Literatur.

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In Folge der Veröffentlichung von Klaus Ammans einflussreicher Studie Robert Musil – Politik und Literatur (2007) versucht der Sammelband in elf Beiträgen, einen kursorischen Überblick über Robert Musils Beziehung zum Politischen, zur terroristischen Gefahr der Zwischenkriegszeit und der aufkommenden Nazi-Herrschaft zu entwickeln – einerseits mit Rückgriff auf biographische Daten und andererseits durch Detailanalysen hinsichtlich Musils erzählerischem Œuvre. Nach der literaturwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Thomas Manns Betrachtungen eines Unpolitischen (1918) steht nun also auch Musils Haltung gegenüber historischen Gewalteruptionen zur Debatte.

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Der ›andere Zustand‹ zwischen Ordnung und Chaos

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Hans Feger führt im seinem Beitrag »Terror und Erlösung. Über die Moral des Anderen Zustands« deshalb in Musils literarische Verarbeitung seiner Erlebnisse aus dem Ersten Weltkrieg ein. In Abgrenzung zu Ernst Jüngers Essay Kampf als inneres Erlebnis (1922), in dem der »Rausch der Vernichtung« (S. 28) in einer mimetischen, der Gewalt Herr werdenden Sprache reflektiert werde – ein Versuch, der Feger zufolge misslingt (vgl. S. 29) –, gehe Musil einen abstrakten Weg durch die Entwicklung von Dissoziierungseffekten, die eine auktoriale Deutungshoheit des Erzählers konsequent unterminierten. Deshalb ließen sich die verstörenden Erfahrungen des Krieges, wie Feger anhand der Erzählung Die Amsel (vgl. S. 30) nachzuweisen sucht, bloß als ein distanziertes, poetisch gebrochenes Sprachgeschehen nachvollziehen. Den ›anderen Zustand‹, der im MoE zwischen Ulrich und Agathe in komplexer Metaphorik angedeutet werde, begreift Feger demgegenüber als »ästhetischen Widerstand [...], der sich den verlockenden Angeboten mit ihren beweglichen Sinnattitüden, ihrem Polytheismus von Werten und ihrem Taumel der Subversion hartnäckig verweigert« (S. 35). Auf diese Weise lasse sich der ›andere Zustand‹ als Gewinnung einer literarisch errungenen Moral verstehen, die auf einer brüchigen Erfahrung der Entfremdung beruhe – mit dem Ziel, durch kontemplative »Seelenruhe« (S. 40) menschliche »Affekte in Ordnung zu halten« (MoE S. 1864).

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Hans-Georg Pott nimmt in seinem Beitrag »Anderer Zustand / Ausnahmezustand« zu Hans Fegers These eine konträre Stellung ein, obwohl auch er die Beziehung zwischen Agathe und Ulrich als ein Symbol poetisch-politischen Protests begreift, nur eben ex negativo in Anbetracht des Scheiterns ihrer inzestuös anmutenden Beziehung: »Ich betrachte das gescheiterte Experimentierfeld des ›anderen Zustands‹ metonymisch als Gegenentwurf, als Entwurf einer Ordnung friedlichen und liebenden Zusammenlebens diesseits der ›heilsgeschichtlichen‹ Utopien von Kommunismus und Faschismus.« (S. 146). Hans-Georg Pott liest den ›anderen Zustand‹ als ambivalente Erfahrung, die in keiner positiven Definition aufgefangen werden könne, sondern – negativ gedeutet – einem Entzug rationaler Determinismen gleiche. Musil fehle daher »ein kognitives Konzept« (S. 157), um den ›anderen Zustand‹ zu erklären. Deshalb stelle sich der österreichische Schriftsteller auch nicht die Frage, »wie gesellschaftliche Ordnung dann möglich ist«. (S. 158) Vielmehr möchte der Romancier, so Pott weiter, auf Grundlage einer fein ziselierten Gefühlspsychologie Ideologiekritik als Massenkritik betreiben, indem er den Konnex von Terror und Gewalt als orgiastische Verzückung interpretiert, die in einer anti-rationalistischen Gefühlswelt zwischen erbittertem Hass und ungestümer Liebe hin und her pendelt. Mit Verweis auf Max Scheler, dessen gefühlspsychologische Werke Musil 1937 zur Kenntnis nahm (vgl. S. 163), baut Hans-Georg Pott seine Argumentation auf Musils Gefühlsverständnis auf, wonach ideologisch-moralisierende und gewaltbereite Gruppierungen, die prinzipiell dem Terror zugeneigt seien, »intentionale[] Fühlfunktionen« (S. 165) zur Massenbegeisterung instrumentalisieren würden, um aus der Undurchschaubarkeit der Moderne ihren Profit zu schlagen. Der ›andere Zustand‹ als Ausgestaltung dieser Fühlfunktionen und prekäres Experiment, das »gegen Musils eigene analytisch-rationale Erkenntnis seine poetische Einbildungskraft herausforderte« (S. 146), müsse darum als Erlebnis puren Affekts ein herber Misserfolg bleiben. In diesem Scheitern identifiziert Hans-Georg Pott das kritisch-selbstreflexive Potenzial des Musilschen Textes.

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Robert Musil: Ein Rationalist?
Wissensgeschichtliche Perspektiven

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Gunther Martens wählt in seinem Beitrag »Rhetorik der Evidenz, Schreibweisen der Polemik: Jünger – Kraus – Musil« ein komparatistisches Verfahren, um Musils Strategie der Vermeidung ideologischer Polarisierungen textintern, das heißt: auf der Mikroebene des Romans zu verdeutlichen. Mit narratologischen Mitteln zeigt Martens auf, dass Musils Mann ohne Eigenschaften weder Kriegsbegeisterung noch Pazifismus propagiert, sondern gerade umgekehrt: sich durch eine ironische Schreibweise der Zurückhaltung auszeichnet, die jene unterschiedlichen, in Kakanien präsenten Ideologien, welche im Gefüge des Romans durch Stellvertreter wie Hans Sepp oder Meseritsch vorgeführt werden, der Lächerlichkeit preisgibt. Der auktoriale Erzähler ist Martens Auffassung nach die narrative Instanz, »um Figuren ironisch gegen den Strich des eigenen Selbstverständnisses zu deuten«. (S. 62) Einerseits zeigt der Verfasser durch sein textanalytisches Verfahren ein feines Gespür für destillierbare Positionen der Polemik, die schließlich »Musils Nähe zu Kraus’ Schreibweise« (S. 63) verdeutlichen würden, andererseits drängt sich die Frage auf, ob sich der von Martens hervorgehobene ironische, prinzipiell bedeutungsoffene Stil des MoE tatsächlich mit einem streng definierten narratologischen Wissensbegriff vereinbaren lässt.

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Auch Florence Vatan tendiert in ihrem Aufsatz »Beruf: Entzauberer? Robert Musil und Max Weber« dazu, Musils ästhetische und politische Standpunkte durch hermeneutische Analogien definitorisch zu fixieren, wobei sie Musils konzeptuelle Nähe zu Max Weber als argumentative Grundlage dafür verwendet, um dem Autor des Mann ohne Eigenschaften einen der Wissenschaft hörigen Rationalitätsglauben zu unterstellen. Diese vergleichende Argumentation lässt sich einerseits in vielen Fällen durch Textstellen im Romanwerk sinnvoll belegen, verhindert aber andererseits das Sichtbarmachen und Hervorheben der mystischen, ambivalenten und geradezu sinnlichen Qualitäten der Musilschen gegen einen roten Faden sich stemmenden Poetologie. Gefährliche Erlösungsphantasien und regressive Kulturpessimismen, wie sie die Autorin als Ursache für die Kulmination von Gewaltexzessen in der Zwischenkriegszeit identifiziert, sind, wenn man Walter Fantas Aufsatz »Krieg & Sex – Terror & Erlösung im Finale des Mann ohne Eigenschaften« zur Analyse hinzuzieht, auch im MoE präsent, genauer besehen: sogar in Ulrichs verbrecherischer Anlage erkennbar (obgleich nicht in plump formulierter Affirmation). Wenn Florence Vatan also schlussfolgert, dass Musil dem gesellschaftlichen Kulturpessimismus eines Oswald Spengler den »›bewußten Optimismus‹ des Mannes ohne Eigenschaften entgegen [stellt]« (S. 75), dann suggeriert sie einen durch Musil klar definierten und Erlösung versprechenden Wissenschaftsglauben, der durch andere Textstellen im MoE und insbesondere durch Tagebuch-Einträge genauso gut relativiert werden kann. Außerdem bezieht sich Vatan in einem ihrer Argumente auf ein inkorrekt wiedergegebenes Zitat, das auf Seite 16 des MoE verweist, wo nicht vom »bewußten Optimismus« die Rede ist, sondern vom »bewußten Utopismus« [!], der im Übrigen »etwas sehr Göttliches« (MoE S. 16) und Phantastisches, also per definitionem Beschränkt-Rationales in sich habe. Auch Walter Fantas Beitrag verdüstert die Vorstellung, nach der Ulrich als Mathematiker (und damit gleichschaltend: Musil als Schriftsteller) ein nicht zu beirrender wissenschaftlicher Entzauberer im Geiste eines Max Weber sei. Vielmehr lässt Fantas Analyse den Schluss zu, dass Ulrich als figurale Verdichtung epistemologischer Probleme die Möglichkeit eröffnet, eine ambivalente menschliche Grundstruktur zu reflektieren, durch die Musil seine Anlage, selbst dem Fieber des Ersten Weltkrieges erlegen zu sein, zu ergründen sucht. (vgl. S. 212) Hierzu analog rückt Joachim Harst in seinem Beitrag den ›anderen Zustand‹, der zwischen Ausnahmezustand, Nächstenliebe und Traum changiert, in ein Licht ambivalenter Erfahrungen, die »im Anspruch absolut allgemein, konkret unformulierbar und praktisch unausführbar« seien, (S. 259–260) also jeder ratioiden Terminologie widersprächen. Nur in der Kenntnis, dass sich Musil diesen ideologischen Verheißungen annähern und sie verstehen wollte, lässt sich nachvollziehen, warum er – wie Izabela Surynt in ihrem Aufsatz erklärt – eines der Werke des Rathenau-Mitattentäters, Die Geächteten (1930) von Ernst von Salomon, in seinen Aufzeichnungen als »das beste Buch des Jahres« hervorhob. (vgl. S. 169)

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Gesellschafts-analytische Implikationen im
Mann ohne Eigenschaften:
Zwischen Kulturkritik und Systemtheorie

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Insbesondere der Aufsatz von Norbert Christian Wolf »Verkünder des Terrors. Propheten und Erlösung: Hans Sepp und Meingast« bestätigt den anfänglichen Verdacht, dass nur eine den Widerspruch in Kauf nehmende, differenzierte Analyse sicherstellen kann, den vertrackten politischen Implikationen in Musils Werk gerecht zu werden. Norbert Christian Wolf bezieht sich in seinem kenntnisreichen und stilistisch ansprechenden Beitrag sowohl auf die Feldtheorie des Soziologen Pierre Bourdieu als auch auf historische Studien von Norbert Elias, um die soziale Binnenstruktur Kakaniens und somit das »geistige Klima« (S. 101) eines Staates zu rekonstruieren, »der sich selbst irgendwie nur noch mitmachte [...]«(vgl. MoE S. 35) Dabei gelingt es dem Autor zu zeigen, dass die ideologischen Stellvertreter im Roman wie etwa Hans Sepp oder Meingast einen augenscheinlichen Kontrast zum essayistisch denkenden Ulrich bilden, indem sie »unhintergehbare[] Letztbegründungen« (S. 110) als einen einheitlichen Lebenssinn reflexionsarm propagieren. Wenn man den Roman in seiner Wechselbeziehung von erzählter Zeit (1913/14) und Erzählzeit (1918–1942) betrachtet – so Wolfs Strategie –, ergeben sich interessante Zusammenhänge, die nicht nur aufschlussreich sind hinsichtlich der realen terroristischen Bedrohung der Zwischenkriegszeit, sondern auch fiktional gewendet: hinsichtlich der konfusen, den Krieg hervorrufenden Eigendynamik Kakaniens. So beweisen Ulrichs klare Karikierungen nationalistischer Irr-Gedanken, wie sie Hans Sepp artikuliert, dass der Protagonist im MoE gegen derlei ideologische Verirrungen »überraschend deutlich Stellung« (S. 116) bezieht. Zugleich bleibe aber zu bedenken, so hebt Norbert Christian Wolf hervor, dass sich Ulrich »von der gedanklichen ›Funktion‹ der Utopie einer funktionierenden Gemeinschaft – wenn auch nicht von ihren ›falschen Inhalten‹ – durchaus angezogen« fühle. (S. 122) Dieser Kontradiktion lässt sich nur mit einer differenzierten Analyse begegnen, die schließlich tendenzhaft bestätigt, dass Musils Programmatik des ›Essayismus‹ im Wesentlichen eine Programmatik des Widerspruchs ist, die nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer doppeldeutigen Semantik aufzuzeigen vermag, dass der moderne Mensch Terror und Gewalt »nicht einfach fatalistisch hinnehmen muss«. (S. 139)

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Todd Cesaratto wiederum bestätigt in seiner systemtheoretisch angehauchten Lesart des Generals Stumm von Bordwehr, der als »beliebte[r] Beleibte[r]« (S. 188) nahezu allen Figuren seine erlogenen Absichten der Friedenserhaltung vorzutäuschen vermag, dass nur eine sukzessive Gesamtbetrachtung der Figurenbeziehungen zu sinnvollen interpretatorischen Lösungsansätzen führt. Der Autor belegt in seiner überzeugenden, auf emotionale Zeichen konzentrierten Kommunikationsanalyse (»Politik durch Gefühlseinsatz: General Stumm von Bordwehr als unwahrscheinlicher Erlöser in Der Mann ohne Eigenschaften«), dass selbst der über-wache Held Ulrich auf das Geplapper und den klug komponierten Empathieaufbau des harmlos sich darbietenden, geradezu liebenswert auftretenden Generals hereinfällt. »Dieses Plappern ist aber strategisch und hilft Stumm beim Manipulieren der Erwartungen der anderen« (S. 200), stellt Todd Cesaratto mit pointiert artikulierten Gegenüberstellungen fest, um sodann mit der These zu schließen (S. 207): »Aber eine Person, die fühlt, wie andere fühlen, und danach handelt – eine fühlende Person zweiter Ordnung sozusagen – kann andere Personen auf äquivalente Weise mit Gefühls- bzw. Machtkommunikationen bezwingen.« (S. 207) Anders gesagt: der Roman vollzieht eine von Musil mehrfach hervorgehobene, auf keine Figurenkonstellation hin beschränkte narrative Umkehrung, die, ironisch gesprochen, von größter Friedensliebe in aggressive Kriegslust kippt.

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Krieg als Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen

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Wenn man dieser rhizomen Struktur im Mann ohne Eigenschaften gerecht werden will, lässt sich eine strikte Freund-Feind-Dichotomie nicht mehr überzeugend vertreten. Daher ist Kai Evers zuzustimmen, der er in seinem Beitrag feststellt, dass die »Genealogie des Krieges« (S. 249) sich nicht »durch Ursachen und Kausalitäten beschreiben [lässt]« (S. 249), sondern nur durch die Analyse einzelner Situationen, die in Musils poetischer Auseinandersetzung zu keiner linearen Erzählung mehr zusammenfänden. Evers erinnert daher an eine geschichtsphilosophische Metaphorik, die Musil im MoE ergänzend ausführt: »Der Weg der Geschichte ist also nicht der eines Billardballs, der, einmal abgestoßen, eine bestimmte Bahn durchläuft, sondern er ähnelt dem Weg der Wolken, ähnelt dem Weg eines durch die Gassen Streichenden, der hier von einem Schatten, dort von einer Menschengruppe [...] abgelenkt wird und schließlich an eine Stelle gerät, die er weder gekannt hat, noch erreichen wollte.« (MoE S. 361)

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Fazit

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Vielleicht sind daher die Aufsätze in dem vorliegenden Sammelband so anregend und zugleich widersprüchlich und ambivalent: Sie versuchen, Musils Möglichkeitssinn gerecht zu werden, der, wie Michael Makropoulos in seinem klugen Beitrag betont, sich als Kontingenzsinn soziologisch bestimmen lässt. Nach der verstörenden Entdeckung kontingenter Geschichtsprozesse spielt Musil die Konsequenzen einer doppeldeutigen Welt radikal durch und erkennt, dass die von starren Gesetzmäßigkeiten befreite Moderne – und hier ist Musil aktueller denn je – zwei Seiten einer Medaille offenbart: die eine, die »als Gewinn neuer Möglichkeiten menschlicher Freiheit« wahrgenommen wird; und die andere, die dem Menschen »akute Orientierungslosigkeit und bodenlose Orientierungslosigkeit« einflößt. (S. 285) In der scharfen Analyse beider Teile liegt die große Stärke dieses insgesamt erhellenden, zeitgeschichtlich präzisen und thematisch breit ausgelegten Sammelbandes zeitgenössischer Musilforschung.