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Vom weiteren Zusammenwachsen der (Kultur-)wissenschaften

  • Christiane Solte-Gresser / Hans-Jürgen Lüsebrink / Manfred Schmeling (Hg.): Zwischen Transfer und Vergleich. Theorien und Methoden der Literatur- und Kulturbeziehungen aus deutsch-französischer Perspektive. Wiesbaden: Franz Steiner 2013. 457 S. Hardcover. EUR (D) 70,00.
    ISBN: 978-3-515-10634-4.

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Die Verbindungen und Schnittstellen der beiden Analysekategorien ›Transfer‹ und ›Vergleich‹ werden interdisziplinär in der Kulturbeziehungs- und kontaktforschung diskutiert, seit der von Michael Espagne und Michael Werner begründete Kulturtransferansatz Ende der achtziger Jahre Gestalt annahm. Im Zuge dessen betonte Werner 1997 die Zusammengehörigkeit der komparatistischen und transferanalytischen Herangehensweisen: »Zur Analyse des Transfers gehört der Vergleich von Ausgangs- und Rezeptionssituation, weil nur so die jeweils vorgenommenen Uminterpretationen und Akkulturationsprozesse zu verfolgen sind.« 1

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Mit dieser Publikation, die auf Vorträgen der gleichnamigen Tagung an der Universität des Saarlandes (9. bis 12. Februar 2013) basiert, ist man diesem Paradigma einen guten Schritt näher gekommen. Mit dem Fokus auf dem deutsch-französischen Wissenschaftskontext werden in den Beiträgen Querverbindungen im Geflecht der Theorien und Methoden der Literatur- und Kulturbeziehungen geschaffen, aber auch (neue) Problemfelder aufgezeigt. Dabei bleibt man nicht bei den beiden Wissenschaftsfeldern Kulturtransfertheorie und Komparatistik stehen, auch wenn deren methodische »Werkzeuge« titelgebend im Fokus stehen. In den letzten Jahren sind, wie auch die HerausgeberInnen einleitend berichten, eine Vielzahl unterschiedlicher Disziplinen, die nicht ausschließlich kulturwissenschaftlich ausgerichtet sind, zusammengerückt: Dazu zählen die Sprach- und Literaturwissenschaften, die Geschichtswissenschaften, die Philosophie, Bild- und Musikwissenschaften ebenso wie ›Cultural studies‹ oder ›Interkulturelle Kommunikation‹. Entstanden ist eine »interdisziplinäre Diskursgemeinschaft« (9), die ein gemeinsames Vokabular teilt − darunter die Kategorien ›Interkulturalität‹, ›Kulturtransfer‹, ›métissage‹ oder ›Alterität‹/›Fremdhermeneutik‹, deren Verwendung zum Teil ältere Konzepte wie ›Imagologie‹, ›Rezeption‹ und ›Einfluss‹ überlagert. Die HerausgeberInnen weisen auch darauf hin, dass vor dem Hintergrund der Globalisierung »das Bewusstsein für kulturwissenschaftliche Fragestellungen« zugenommen und die Beschleunigung »kultureller Austauschprozesse« zu »erhöhter methodischer Reflexivität« (ebd. ) geführt hat.

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Dass der Fokus des Bandes auf dem gegenwärtigen deutsch-französischen Theoriefeld liegt, begründen die HerausgeberInnen mit der »relativ gut[en]« Erforschung von Ansätzen anglo-amerikanischer Herkunft. In dem zu erst genanntem, sich „ausgesprochen dynamisch entwickelnden“ theoretischen Feld der Literatur- und Kulturbeziehungen, stehe eine »systematische Ausschreitung« aber »noch weitgehend aus.« (10) Außerdem böten die deutsch-französischen Kulturbeziehungen durch vielfältige Gemeinsamkeiten aber auch Differenzen, zum einen ein »privilegiertes, interdisziplinäres Feld für die theoretische Konzeptualisierung und die methodische Untersuchung von Literatur- und Kulturbeziehungen allgemein« (ebd.). Zum anderen wurzeln die relevanten theoretischen Grundlagen – die der Komparatistik und die des Kulturtransferansatz − im französischsprachigen Raum, während die mit beiden Disziplinen in Verbindung stehende Rezeptionsforschung (Konstanzer Schule, Hans Robert Jauß, Wolfgang Iser) in Deutschland entstanden sei.

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Zusammenfassend kann man vor diesem Hintergrund folgende Forschungsfelder innerhalb des Sammelbandes verorten:

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1. Die Überlagerung und teilweise Ablösung traditioneller Wissenschaftsbegriffe wie ›Einfluss‹, ›Wechselwirkung‹ oder ›Austausch‹ durch neue Paradigmen und Konzepte;

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2. Durch die »Medienrevolution« ausgelöste und notwendig gemachte theoretische Überlegungen zum Verhältnis Literatur, Kultur und Medien;

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3. Angesichts der zunehmenden Verflechtungen in diesen Bereiche die Debatte von Funktion und Struktur von Vergleichen.

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Den »besonderen Charakter« (12) des Sammelbandes verorten die HerausgeberInnen dabei darin, neue »Theorien und Methoden (Anm. z. B. ›cross-mapping‹ oder ›illegitimes Vergleichen‹) erstens auf »ihre methodische Tragfähigkeit hinsichtlich aktuellster Literatur- und Kulturphänomene zu überprüfen, zweitens die höchst kontrovers verlaufende Diskussion entlang ihrer zentralen Konfliktlinien und strittigen Positionen nachzuzeichnen bzw. kritisch weiterzuführen und diese drittens in einem dezidiert interdisziplinären Kontext auf neue Perspektiven hin zu befragen.« (ebd. )

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Gliederung und Inhalt

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Seiner Aufgabenstellung begegnet der Sammelband mit einer Gliederung in fünf thematische Abschnitte. In der Folge werden diese Sektionen vorgestellt, wobei aus jedem Abschnitt zwei Beiträge herausgegriffen und dargestellt werden.

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1. 1. Positionen und Konzepte

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Die erste Sektion mit dem Titel »(Wissenschafts-)perspektiven. Programmatische Positionen und Konzepte« hat einführenden Charakter: Hier werden aktuelle methodische Ansätze und Theoriekonzepte vorgestellt, reflektiert und diskutiert. Christiane Solte-Gresser zeigt »Potenziale und Grenzen des Vergleichs« auf. Sie gibt einen »schematisch-reduzierenden Überblick« (33) über bereits bestehende, divergente Positionen aus dem weiten Feld bisheriger Überlegungen zur Analysekategorie ›Vergleich‹. Dabei geht es ihr weniger um die Methode, als um »das theoretische Spektrum dieses Tuns.« (25 f.) Sie stellt die Fragen: »Wie bewerten wir das Verfahren des Vergleichs, welche Intention verfolgen wir damit, von welchen Grundannahmen gehen wir aus und innerhalb welchen Denkhorizontes bewegen wir uns jeweils?« (26) und schlägt Vergleichskonzeptionen vor, die Differenz und Grenzüberschreitendes oder im Gegensatz dazu Ähnlichkeit betonen, Vergleiche als dialektischen oder differentiellen Prozess auffassen oder den Vergleich als ›illegitimes Verfahren‹ betrachten.

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Hans-Jürgen Lüsebrink liefert mit seinem Beitrag einen Abriss der Entwicklung und Intentionen des Kulturtransferansatzes, wobei er einleitend auf die enge Verzahnung mit der literaturwissenschaftlichen Rezeptionsforschung und der kulturwissenschaftlich ausgerichteten Hybriditätsforschung hinweist. Er macht jedoch auch auf Forschungsfelder des Kulturtransfers aufmerksam, die bisher wenig Beachtung fanden, wie etwa der Medientransfer. Er bemerkt eine Ausdifferenzierung und Erweiterung der Kulturtransferforschung in »methodischer und theoretischer Hinsicht.« (44) Er plädiert dafür, den Kulturtransferansatz »nicht in Konkurrenz, sondern in systematischer Verbindung mit komparatistischen, text- und medienwissenschaftlichen sowie interkulturellen Forschungsansätzen weiterzuentwickeln und weiterzudenken.« (47)

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2. 2. (Kultur)-Begriffe

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Der zweite Abschnitt des Bandes beschäftigt sich mit neuen Ansätzen, die das Phänomen ›Kultur‹ umreißen, weiterdenken und hinterfragen wollen. Anke Bosse wirft dabei in ihrem Aufsatz »Interkulturalität – von ›Transfer‹ zu ›Vernetzung‹« einen Blick auf die Etymologie des Begriffes ›Transfer‹. Sie erläutert, welche Transformationsprozesse der Begriff ›Kulturtransfer‹ bereits durchlaufen hat. Anhand eines konkreten Anwendungsbeispiels, Goethes produktiver Rezeption orientalischer Werke, erörtert sie, dass intertextuelle und kulturelle Bezüge zu komplex sind, um nach dem Modell ›Transfer‹ erfasst zu werden. Sie wünscht sich daher eine konsequente Weiterführung der in ihrem Beitrag »skizzierte[n] begriffliche[n] Entwicklung von ›Transfer‹ zu ›Transferprozess‹ zu ›Vernetzung‹.« (76)

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Die »Neu«-Entdeckung des existenzialistischen Autors Albert Camus als ›Algerier‹ nimmt Elke Richters Beitrag »Albert Camus: Kultur-Kontakte im Mittelmeerraum« zum Ausgangspunkt und begibt sich auf »Entdeckungstour des Camus der Öffnung und der kulturellen Pluralität«. (96) Dabei erforscht Richter »die Grenzen eindeutiger Verortungen Camus’ anhand seiner Texte« (106). Durch eine Analyse von Camus’ essayistischem Werk und einem ›Gegenlesen‹ mit der von Said entwickelten ›kontrapunktischen Lektüre‹ zweier Novellen macht sie sichtbar, dass die behandelten Texte Ambivalenz und Pluralität aufweisen sowie komplexe Aussageräume eröffnen und somit »Camus‘ Verortung als französischer oder algerischer, als kolonialer oder antikolonialer Autor« (105) nicht zulassen. Sie wünscht sich abschließend neue »literatur- und kulturwissenschaftliche Klassifizierungssysteme, die Momente des Übergangs, der Uneindeutigkeiten, d. h. des kulturellen und nationalen Dazwischens berücksichtigen.« (106)

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4. 3. (Kultur)-Transfer

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Im Zentrum des Werkes werden schließlich die zwei titelgebenden Analysekategorien zum Thema gemacht: Der dritte Abschnitt nimmt dabei zuerst den Kulturtransferansatz als theoretischen Ausgangspunkt für neue Perspektiven in Bezug auf Kulturbeziehungen, wobei Problembereiche der aktuellen Diskussion erschlossen und neue Wissenschaftsgebiete für die Kulturtransferforschung fruchtbar gemacht werden sollen.

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Ruth Florack überlegt, wie Methoden der Stereotypenforschung im Rahmen der Kulturtransferforschung genützt werden können. Sie betrachtet »die unterschiedlichen Erscheinungsformen des Kulturtransfers [als] fruchtbare[n] Boden für die Verwendung nationaler und ethnischer Stereotype.« (172) Diese könnten Voraussetzung, Begleiterscheinung oder Folge eines Kulturtransfers sein. Florack schließt mit der Überlegung, »[ü]ber den Kulturvergleich hinaus« sei es »für die Erforschung des Kulturtransfers in einer globalen Perspektive lohnend, [diese] Stereotype als eigenes Forschungsfeld ernst zu nehmen [und deren] jeweilige Leistung […] zu untersuchen.« (174)

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Joseph Jurt nähert sich in seinem Beitrag »Literaturzirkulation und Feldtheorie« einer Gemeinsamkeit in den theoretischen Überlegungen Bourdieus und der Kulturtransferforschung: »Wie die Transfer-Forscher stellt auch Bourdieu fest, dass die Texte zunächst gemäß der internen Logik des Aufnahmefeldes re-interpretiert werden. […] Form und Funktion werden so ebenso sehr oder noch mehr durch das Aufnahmefeld als durch das Ausgangsfeld bestimmt.« (251) Einleitend wirft Jurt zuvor einen Blick auf den Einfluss deutscher Denker wie Edmund Husserl, Karl Marx oder Max Weber auf Bourdieus Werk und umreißt umgekehrt seine Rezeption in Deutschland bis zur gegenwärtigen Auseinandersetzung junger Berliner Germanisten mit seinen theoretischen Überlegungen. Abschließend macht Jurt auf das europäische Forschungsprojekt ESSE aufmerksam. Innerhalb des Netzwerkes, das theoretisch auf Bourdieus Aufsatz »Les conditiones sociales de la circulation internationale des idées« beruht, werden Hypothesen von Bourdieu anhand von konkreten empirischen Studien umfangreich untersucht. (254)

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5. 4. (Vergleichs)-Verfahren

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Im vierten Abschnitt geht es den HerausgeberInnen um das »Vergleichen als Methode im engeren Sinne« (15). Auch wenn der Vergleich keine Methode, sondern ein »Grundelement kognitiver Prozesse« sei, habe er für die Kulturtransferforschung »methodischen Status.« (ebd.) das »vergleichende Verfahren« werde »als solches funktional eingesetzt, um Differenzen und Gemeinsamkeiten zwischen abgebenden und aufnehmenden Kulturen zu erforschen.« (ebd.)

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Aus dieser Sektion sei zum einen Michael Eggers Aufsatz »Körper und Texte. Zur entstehungsgeschichtlichen Nähe von Komparatistik und vergleichender Anatomie« herausgegriffen. Mit »historische[m] Blick« (275) wendet er sich dem Verhältnis zwischen der frühen »littérature comparée« und der vergleichenden Anatomie im frühen 19. Jahrhundert zu, um zu verstehen, warum die Komparatistik »überhaupt eine vergleichende Wissenschaft ist und aus welchen Wissensbereichen die Methode eigentlich stammt.« (ebd.) Denn die Frage »nach der methodischen Relevanz des Vergleichs für die Komparatistik« ließe sich »mit rein theoretischen Argumenten nicht hinreichend beantworten […].« (ebd.) Eggers meint, die Geschichtsschreibung der Komparatistik hätte zwar schon früh die »historische Nachbarschaft« (276) der beiden Fächer wahrgenommen. Die vergleichende Anatomie sei aber bisher nicht »in ihrer Rolle als Stifterin oder Anregerin einer vergleichenden Literaturwissenschaft [beurteilt] und auf evtl. methodische Parallelen hin [befragt worden].« (277 f.).

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Peter Herr zeigt in seinem Beitrag „(Un-)Vergleichbarkeit der Sho’ah? Herausforderungen für den Vergleich als Methode“ Grenzen der Analysekategorie auf. Sein Beitrag dokumentiert den Versuch, „die Sho’ah als Grenze des Vergleichs für die Vergleichstheorie zu nutzen.“ (305) In einem theoretischen Teil gibt er an, dass vielen – er nennt beispielhaft Carsten Zelle − „[e]ine allgemeine Theorie des Vergleichs [und] eine ausgearbeitete Methodologie“ (ebd.) fehle, sein Beitrag formuliere „seine Erwartungen an eine solche Theorie.“ Seine „idealtypische Differenzierung“ ziele jedoch darauf ab, „die Komplexität des Vergleichens sicht- und handhabbar zu machen.“ (ebd. ) In einem praktischen Teil stellt er auf Basis der amerikanischen und europäischen Debatten über die Sho’ah Überlegungen über deren Unvergleichbarkeit an. Anhand von ästhetischen Holocaust-Vergleichen (darunter Radu Mihaileanus Spielfilm Train de vie und Toni Morrisons Roman Beloved) umreißt er eine „radikale[] komparatistische[] Ethik“ (318).

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7. 5. (Text-)engrenzungen

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Im fünften Abschnitt des Bandes geht es schließlich um aktuelle Fragen und Problemstellungen der Intertextualitäts- und Intermedialitätstheorie. Christoph Vatters macht in seinem Aufsatz »Intermedialität – une affaire allemande?« einleitend auf die zentrale Rolle der Kategorien ›Transfer‹ und ›Vergleich‹ für den Ansatz der Intermedialität aufmerksam. Er erläutert in Folge die Wissenschaftshistorie des populären Begriffes, an dem er trotz zahlreicher Arbeiten und Präzisierungen Breite und eine gewisse Unbestimmtheit wahrnimmt. Auch beweist er anhand von empirischen Daten, dass Deutschland im Vergleich zu Frankreich in Bezug auf die bisher geleistete Forschungsarbeit zum Wissensfeld ›Intermedialität‹ eine dominante Rolle einnimmt und sucht dafür Erklärungsmuster in den »unterschiedlich gelagerten Forschungstraditionen« (408). Er stellt jedoch in Aussicht, dass sich die Intermedialität trotzdem »im interkulturellen Forschungskontext [als] besonders produktives Konzept erweisen könnte.« (ebd.) Im Anschluss an Hans Ulrich Gumbrecht spricht er sich für »detaillierte empirische Recherchen auf diesem Gebiet [aus] um kulturspezifische Konstellationen von Intermedialität zu untersuchen.« (ebd.) Diese Möglichkeiten erscheinen ihm vorrangig »im Hinblick auf kulturspezifische Medienkonfigurationen und ihr intermediales Zusammenspiel, die sich nur im interkulturellen Vergleich erschließt, besonders fruchtbar« (ebd.).

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Patricia Oster untersucht Kunst als zentrales Transferelement. Diese sei »insofern ein interessantes Transferelement, als das Kunstwerk per se auf Dauer gestellt ist und sich deshalb als Kunstobjekt selbst bewahrt, wenn es fremde Aneignung erfährt.« (384) Von besonderem Interesse seien »Statuen im öffentlichen Raum, weil ihnen in der Ausgangskultur häufig eine konkrete politische Funktion […]« zukomme. (ebd.) Diese würde sich »im Transferprozess veränder[n], ohne dass das Kunstwerk selbst in Frage gestellt würde.« (ebd.) Als Beispiel zieht sie in einem ersten Schritt den deutsch-französischen Transferprozess der von Johann Gottfried von Schadow gefertigten Berliner »Quadriga« heran. Dabei würde sich zeigen, »wie das Transferelement immer wieder von Neuem in seiner Virtualität freigesetzt wird und in neue Sinnzusammenhänge eintritt.« (388) Es folgt eine Analyse von Cécile Wajsbrots Roman L’Ile aux musées, in dem Transferprozesse von öffentlichen Statuen im literarischen Diskurs erörtert werden. Hier deckt sie komplexe Transferprozesse auf, denn im Roman werde »die Dynamik von Transferprozessen aus der Perspektive kultureller Transferelemente« reflektiert, indem der Roman Statuen in Berlin und Paris eine »Stimme« verleihe. (395)

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Fazit

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Durch die breite Abdeckung des Themas gibt der Sammelband nicht nur einen guten Überblick über den aktuellen Stand der Forschung in den verschiedenen Disziplinen, in denen die Kategorien ›Vergleich‹ und ›Transfer‹ eine Rolle spielen. Es wird auch eine bereits mehrere Jahrzehnte andauernde, fruchtbare interdisziplinäre Diskussion fortgeführt. Dabei werden neue Türen geöffnet, wenn etwa Ruth Florack erste Überlegungen anstellt, wie die Stereotypenforschung für die Kulturtransferforschung fruchtbar gemacht werden kann.

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Der Sammelband zeigt des weiteren auf, dass in dieser breiten, interdisziplinären Diskursgemeinschaft, die an der Debatte im deutsch-französischen Theoriefeld teilhat, ähnliche Wünsche und Forderungen existieren: Zum einen nach neuen Analysekategorien (etwa die Ausweitung des Begriffs ›Transfer‹ zu ›Vernetzung‹ bei Bosse, oder der Wunsch nach neuen Klassifizierungssystemen bei Richter), zum anderen werden weiterhin theoretische Modelle skizziert, um bestehende Konzepte wie den ›Vergleich‹ zu hinterfragen und neu zu fassen (Solte-Gresser). Stimmen, die darauf hinweisen, dass es hier generell an Theorie und Methodik fehle, werden in dem Sammelband ebenso laut (z. B. Herr). Dabei kann sich bei LeserInnen des Bandes am Ende wahrscheinlich ein ähnliches Gefühl einstellen, wie Joseph Jurt es in Bezug auf die deutsch-französische Bourdieu-Forschung formulierte: »Es bleibt noch viel zu tun.« (254). Abschließend sei angemerkt, dass Hans-Jürgen Lüsebrink, wie vor ihm Werner, wiederum betont, dass die hier angestellten interdisziplinären Überlegungen zu Methodik und Theorie die kulturwissenschaftlich orientierten und interessierten Wissenschaften nicht auseinanderbringen, sondern näher zusammenrücken sollen. Und das erscheint mit der vorliegenden Publikation glaubhaft gelungen.

 
 

Anmerkungen

Michael Werner: Dissymmetrien und symmetrische Modellbildungen in der Forschung zum Kulturtransfer. In: Hans-Jürgen, und Rolf Reichardt (Hg.): Kulturtransfer im Epochenumbruch. Frankreich – Deutschland 1770 bis 1815. (Deutsch-Französische Kulturbibliothek, 9.1). Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 1997, S. 87-101, hier: S. 98.   zurück