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»Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt…«

Aufbauarbeit in der Literaturwissenschaft

  • Matthias Aumüller: Minimalistische Poetik. Zur Ausdifferenzierung des Aufbausystemen in der Romanliteratur der frühen DDR. (Explicatio. Analytische Studien zur Literaturwissenschaft) Münster: mentis 2015. 391 S. Kartoniert. EUR (D) 64,00.
    ISBN: 978-3-89785-122-1.
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Weder in Metzlers Literatur Lexikon noch im RLW findet sich ein Eintrag zur Aufbauliteratur, und auch im RLW-Artikel zur »DDR-Literatur« fällt das Wort Aufbauliteratur oder Aufbauroman kein einziges Mal. Auch ins populärwissenschaftliche Online-Lexikon Wikipedia hat es der Begriff ›Aufbauliteratur‹ (noch) nicht zu einem eigenständigen Artikel geschafft. Obwohl der Absatz zu den 1950er Jahren im Wikipedia-Artikel über die DDR-Literatur mit ›Aufbauliteratur‹ überschrieben ist, finden sich nur acht Sätze zu diesem literarischen Gegenstand: Arbeiter als Helden, didaktische Literatur und die Errungenschaften des Sozialismus werden dabei erwähnt, und als Beispiel wird auf den Aufbauroman Menschen an unserer Seite (1951) von Eduard Claudius verwiesen, der es jedoch auch nicht zum eigenen Wikipedia-Artikel schaffte. Mehr, so könnte man meinen, sei über die Aufbauliteratur nicht erwähnenswert; eine intensivere Auseinandersetzung mit der Aufbauliteratur im Allgemeinen und dem Aufbauroman im Besonderen lohne sich schlichtweg nicht. Doch bereits während der Lektüre von Aumüllers Studie wird man eines Besseren belehrt und nach der Lektüre hat man einen fundierten Beweis für die Notwendigkeit einer klaren Bestimmung dieses literarischen Artefakts. Aumüller schließt zugleich – dies sei vorweggenommen – mit seiner Habilitationsschrift nicht nur eine bestehende Forschungslücke, sondern liefert ein Grundlagenwerk für die strukturalistische Analyse von DDR-Romanen der 1950er und frühen 60er Jahre.

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I) Minimalistisch?

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Bereits der Titel verrät Matthias Aumüllers Stoßrichtung: die Analyse früher Romanliteratur der DDR. Er nimmt Texte und Vertreter der 50er und frühen 60er Jahre in den Blick, um dem Unterschied zwischen ›Aufbau- und Ankunftsliteratur‹ in der DDR anhand eines idealtypischen Modells, dem Aufbausystem, nachzugehen. Dabei legt Aumüller weniger Wert auf die Beantwortung der Frage, ob Aufbauromane nun ästhetisch wertvoll seien oder nicht, sondern geht intensiver auf die Frage nach der literarischen Eigenart der Aufbauromane und den Vergleich mit anderen Werken ein. Das Korpus bietet daher ein breites Spektrum und hält viele Neuentdeckungen bereit.

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Doch was genau meint Aumüller mit der etwas vagen Betitelung ›Minimalistische Poetik‹? Neben der Entschlüsselung der Verwendungsweise von ›Poetik‹ als ›Eigenart‹ im Schlusskapitel seiner Arbeit (vgl. S. 351), liefert der Autor den Versuch einer Erklärung bereits in der Einleitung; die Bewertung, ob dies vollends überzeugt oder erst nach der Lektüre der gesamten Studie schlüssig erscheint, bleibt der Leserschaft jedoch selbst überlassen. Die Wahl des Buchtitels lässt sich zurückführen auf ein wesentliches Charakteristikum der untersuchten Werke, welches darin besteht, »dass ihre jeweiligen Eigentümlichkeiten erst durch die Kenntnis des Systems sichtbar werden und in Details bestehen, die ohne diese Kenntnis übersehen werden«, folglich nenne er diese Poetik ›minimalistisch‹:

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»Minimalistisch« scheint mir auch aus einem weiteren Grund ein passender Ausdruck zu sein: Jedes literarische Werk lässt sich in dieser Weise (als auf ein bestimmtes System bezogen) charakterisieren, aber nicht jedes lässt sich hinreichend in dieser Weise charakterisieren; Aufbauromane indes sind damit hinreichend charakterisiert. (S. 16)
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Bereits in den einleitenden Bemerkungen geht der Autor über die gängige Definition der sogenannten Aufbauromane hinaus – diese handeln »vom Aufbau von Industrieanlagen und genossenschaftlichen Strukturen in der Landwirtschaft«, sind in der frühen DDR entstanden und ihre »Autoren […] fast alle vergessen« (S. 9). Er plädiert für die Betrachtung der sowjetischen Romanpoetik als Ausgangsbasis für die Untersuchungen, da diese zum einen weitaus besser erforscht ist als die Poetik des frühen DDR-Romans, und zum anderen »die frühe DDR-Literatur selbst wohl nur mit Rücksicht auf die sowjetische Literatur adäquat erfasst werden kann« (S. 14). 1 Als ausgewiesener Slawist führt Aumüller daher gezielt und nachvollziehbar in den sowjetischen Kontext und deren Aufbauromane ein. Dabei verfolgt er in seiner gesamten Arbeit eine textwissenschaftlich orientierte Analyse, in der er nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Aufbauromane fragt. Er präferiert diese Textsorte, da der Roman als »Leitgattung des Sozialistischen Realismus angesehen werden kann« (S. 13).

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Aumüller umreißt in seiner Einleitung zudem pointiert die Ausgangssituation, aus der deutlich hervorgeht, dass Aufbauromane – obwohl sie einen »festen Platz in der deutschen Nachkriegsliteratur« haben (S. 9), – in Literaturgeschichten kaum dargestellt und die literarischen Eigenschaften dieser Romane in der Literaturwissenschaft nicht untersucht werden. Auch Kontinuitäten und Diskontinuitäten zwischen der Literatur der 50er und 60er Jahre der DDR werden von der Forschung, wenn überhaupt, eher pauschalisierend beantwortet. Sie wurden schlicht für literarisch uninteressant gehalten; genau an dieser Stelle setzt Aumüllers Vorhaben an: »die Aufbauromane als literarische Artefakte zu untersuchen« (S. 9).

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II) »Bau auf! Bau auf!«

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Aumüllers ›Aufbauarbeit‹ ist notwendig, da bereits in der offiziellen Geschichte der Literatur der Deutschen Demokratischen Republik (1976) durch die Einteilung in zwei Etappen der DDR-Literatur, mit der Bezeichnung »Herausbildung der sozialistischen Nationalliteratur der Deutschen Demokratischen Republik« (1949 bis Anfang der 60er Jahre) und der anschließenden »Entfaltung der sozialistischen Literatur der Deutschen Demokratischen Republik«, ablesbar ist, dass die frühe DDR-Literatur offenbar »anders sein« müsse als die spätere Literatur und zudem »auch weniger hoch entwickelt« (S. 10; Hervorhebungen im Original). 2 Für diesen von der DDR-Literaturwissenschaft vorgenommenen Schnitt zu Beginn der 60er Jahre liefert Aumüller die Gründe gleich mit: die stete Zunahme der Leserschaft, eine neue Autoren- und auch Lesergeneration sowie die verstärkte Kenntnisnahme in der BRD.

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Schematismus als Eigenschaft und Grund für eine ästhetische Minderwertigkeit sind dabei seit der zeitgenössischen Einschätzung die gängigen Vorbehalte gegenüber den Aufbauromanen. Anhand der Bewertung der Aufbauliteratur von Theo Buck, welche repräsentativ für die gängigen literaturwissenschaftlichen Einschätzungen stehe, demontiert Aumüller die pauschalisierenden Behauptungen, die Werke folgen ›nur‹ einem einzigen Schema. Dabei kritisiert Aumüller zu Recht auch die Gleichsetzung unterschiedlicher DDR-AutorInnen wie Anna Seghers, Willi Bredel, Otto Gotsche, Dieter Noll, Brigitte Reimann oder Erwin Strittmatter und hinterfragt die scheinbar selbstverständliche Schlussfolgerung, die Orientierung an einem Schema sei ein schweres ästhetisches Defizit (vgl. S. 12).

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Auch dichotome poetologische Konzeptionen, deren Ziel die reine Gegenüberstellung von anspruchsvoller und trivialer Literatur ist, lehnt Aumüller ab. »Vor allem aber wird missachtet, dass man ihnen [den Aufbauromanen, F.T.] nicht gerechtfertigterweise fehlende Innovation oder Abweichung unterstellen kann, wenn man gar nicht deutlich macht, wovon sie denn nicht abweichen.« (S. 15) Daher plädiert Aumüller für eine angemessene Beschreibung anhand eines Bezugsrahmens, einem idealtypischen Modell, welches er neutral ›Aufbausystem‹ nennt. Ohne ästhetisch zu werten, erörtert er die Frage nach einer möglichen eigenen Poetik und stellt Überlegungen zu den handlungszentrierten Aspekten, dem vermeintlichen Schematismus, der Monovalenz und Transparenz der Aufbauromane an. Dabei ist dem Autor terminologische Neutralität ebenso wichtig wie »den Zusammenhang zwischen Schematizität/System-Monodominanz und ästhetischer Minderwertigkeit aufzubrechen« (S. 15).

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III) Die Vorarbeit

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Die Ausführungen zum sowjetischen Aufbauroman (Kapitel I) gestaltet Aumüller differenziert und umfangreich. Nach einem kurzen Einblick in den sowjetischen Kontext und Überblick über bekannte Vertreter wie bspw. Maksim Gor’kij, Il’ja Ėhrenburg, Nikolaj Ostrovskij oder Valentin Kataev und weniger bekannte Vertreter sowjetischer Aufbauromane (bspw. Aleksandr Fadeev oder Dmitrij Furmanov) sowie über die theoretischen Auseinandersetzung mit den sowjetischen Romanen seit den 80er Jahren (hier besonders Katerina Clarks The Soviet Novel. Historyas Ritual, 1981) räumt Aumüller den bekanntesten sowjetischen Aufbauromanen eine genauere Analyse ein: Fëdor Gladkovs Industrialisierungsroman Zement (1925) und Michail Šolochovs Kollektivierungsroman Neuland unterm Pflug (1932). Für die DDR-Autoren haben diese Romane Vorbildcharakter und setzten Maßstäbe für die beiden Varianten des Aufbauromans.

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In Auseinandersetzung mit den Positionen des Slawisten Hans Günther nimmt Aumüller neben Handlungsmuster, Figurenkonstellation und Motiven die ideologische Ausrichtung in den Blick und diskutiert allgemeine Postulate des Sozialistischen Romans. 3 In seiner Zwischenbilanz betont er zum einen die Mehrzahl von Möglichkeiten, die Schematizität von Aufbauromanen darzustellen, die normative Orientierung am Marxismus-Leninismus und den jeweils geltenden Interpretationen dieser Doktrin sowie das prinzipielle Streben der sowjetischen Aufbauromane »nach einer transparenten Vermittlung eindeutiger weltanschaulicher Positionen« (S. 74). Zum anderen hält er fest, dass es sich beim Aufbauroman um eine eigene Werkgruppe der sozialistisch-realistischen Erzählliteratur handelt, die, um Milieuunterschieden gerecht zu werden, in Industrialisierungs- und Kollektivierungsromane unterteilt werden kann.

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Bevor sich Aumüller ausgehend von den sowjetischen mit den Aufbauromanen der DDR befasst, das DDR-Aufbausystem ausdifferenziert und die Romane in diesem analysiert, liefert er im zweiten Kapitel seine theoretische Begründung. In dieser zentralen ›Vorarbeit‹ erläutert er seine auf Abweichung basierende Theorie und die »Narratologische[n] und poetologische[n] Analysekategorien«. Er befasst sich mit der ›Handlung als narratologische Kategorie‹, dem ›Begriff der Episode‹ und den ›Kriterien zur Bestimmung der Episodenstruktur‹ sowie ›Dichotomische Poetik-Konzeptionen‹ (Vgl. S. 77–124). Hier wird deutlich, dass der Autor ein spezialisierter Narratologe ist, der präzise, strukturalistisch die zentralen Kategorien für die Analysen der DDR-Romane herausarbeitet.

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IV) Die Aufbauromane

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Im dritten Kapitel »Aufbauromane der DDR« beleuchtet Aumüller Traditionslinien des DDR-Aufbauromans sowie das literarhistorische Verhältnis der Romane zu Werken der Weimarer Republik und geht zudem auf die Rezeption der sowjetischen Romane mit ihrer »Vorbildfunktion für die DDR-Romane bis weit in die sechziger Jahre« ein (S. 133). Mit der Darstellung des Korpus und einer Analyseübersicht über das Aufbausystem mit seinen vier Subsystemen leitet Aumüller über zum zentralen vierten Kapitel. 4 Dabei diskutiert er die unterschiedlichen, nicht ko-extensionalen Begriffe wie Industrie- und Betriebsroman oder LPG-Roman und stellt klar, dass Eduard Claudius’ Menschen an unserer Seite zwar gewöhnlich – wie der eingangs erwähnte Wikipedia-Artikel zeigt – »als herausragendes Beispiel des Aufbauromans genannt wird«, jedoch »nicht zum Zentrum dieser Gruppe, sondern zur Peripherie« gehört (S. 142). Er plädiert für eine präzise Differenzierung im Umgang mit dem Phänomen ›Aufbau‹ und den damit verbundenen Problemen: Unterscheidungskriterium solle daher »nicht nur die Entscheidung der Frage [sein], ob das aufbaurelevante Problem für den Betrieb von obligatorischer oder fakultativer Bedeutung ist, sondern auch, ob das Problem sich durch eine individuelle Initiative ergibt oder durch die Initiative der Partei« (S. 143).

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Das vierte Kapitel stellt das DDR-Aufbausystem und seine Ausdifferenzierung anhand verschiedener Aufbauromane dar, wobei er »Variationen durch Modifikationen von bestehenden Subsystemen« und »Variationen durch Kombination mit neuen Subsystemen« 5 unterscheidet. Zu ersteren gehören u.a. Werner Reinowskis Romane Der Kleine Knopf (1952) und Diese Welt muß unser sein (1953) oder Erich Köhlers Schatzsucher (1964). Zu den Variationen durch Kombination zählt Aumüller neben Claudius’ Menschen an unserer Seite weitere bekannte Werke wie Spur der Steine (1964) von Erik Neutsch oder Anna Seghers’ Die Entscheidung (1959). Bei seinen Analysen geht er nicht zwingend chronologisch vor, sondern gliedert diese thematisch nach den Subsystemen. Des Weiteren hat Aumüller ein Korpus zusammengestellt, das auch die Schriftstellerinnen der 50er und 60er Jahre nicht vergisst. Für die Vollständigkeit nimmt er zudem Variationen durch Substitution sowie durch Kombinationen mit neuen Systemen wie der Ankunftsliteratur oder dem Karriere-System in den Blick. Die fundierten Analysen werden von teilweise umfangreichen Episodenschemata und Figurenübersichten (vgl. S. 156–159) ergänzt. In seiner Zwischenbilanz hält Aumüller fest, dass die »begriffliche Differenzierung zwischen Aufbauroman und Aufbausystem« es ermöglicht, »die Bedeutung des Korpus für die DDR-Literatur zu ermitteln (und nicht nur zu postulieren)« (S. 291).

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Bereits in seiner Einführung betont Aumüller, dass das Aufbausystem für die Aufbauromane spezifisch sei und diese als Werkgruppe oder Textsorte identifizierbar mache (vgl. S. 17): Als »Werke der Erzählliteratur haben sie aber auch Anteil an anderen Systemen« (ebd.), daher räumt er zwei weiteren Systemen jeweils ein eigenes Kapitel ein: dem Normsystem mit der Betrachtung von Monovalenz und Ambivalenz, bspw. in August Hilds Das Lied über dem Tal (1954) und dem narrativen System, hier werden Episodizität, Massenroman und Erzählinstanz sowie Erzählweise behandelt.

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In seinen abschließenden und zusammenfassenden Bemerkungen »Die Poetik des Aufbauromans« stützt sich Aumüller in seiner Schlussbetrachtung zu ›Stalinismus und Moderne‹ auf Thesen vom anerkannten Spezialisten für russische Avantgarde und Kunst des Stalinismus, Boris Groys. Er kommt zu dem Schluss: »So selbstverständlich man bei Texten aus längst vergangenen Epochen oder fremden Kulturen von einem eigenen System literarischer Bedeutung ausgeht, so selbstverständlich sollte dies auch bei sozialistisch-realistischen Texten sein« und weiter, dass »bestimmte Eigenarten der Aufbauromane als Reaktion auf die literarische Moderne zu deuten [sind], und zwar nicht als Gegenreaktion, sondern als Adaption von modernen literarischen Verfahren.« (S. 353) Die Quintessenz seiner Untersuchung fasst Aumüller in der These zusammen, »dass die angemessene poetologische Dimension nicht das einzelne Werk ist, sondern das Werk vor dem Hintergrund des Korpus bzw. der Systeme, die es realisiert« (S. 356). Diese intertextuelle Dimension – welche bei kanonisierten Werken der »›Eigenwert‹-Dimension nachgeordnet ist« – sei die Hauptsache bei den Aufbauromanen. Darin bestehe ihre Poetik 6 ; mit dem Attribut ›minimalistisch‹ sei zudem die These einer literarischen Ähnlichkeit verknüpft, »dass sich die Eigenart eines Werkes aus dem Vergleich mit anderen in bestimmten Hinsichten ähnlichen Werken ergibt.« (S. ebd.)

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IV) Fazit

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Leitet Aumüller seine Untersuchung mit der Aufgabe ein,

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»nicht nur Aufschluss über einen schlecht ausgeleuchteten Bereich der deutschen Literaturgeschichte im 20. Jahrhundert [zu geben], sondern […] auch weitere Erkenntnisse […], die über die Aufbauromane hinaus von allgemeinem Interesse sind: Erkenntnisse über den literaturhistorischen Zusammenhang, in dem die Aufbauromane stehen, und über die Poetik von literarischen Werken, die sich außerhalb des (derzeitigen) Kanons von Literaturwissenschaft und Literaturkritik befinden« (S. 9),
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so lässt sich abschließend festhalten, dass er diese Aufgabe mit seiner Minimalistischen Poetik gekonnt gelöst hat. Aumüller schließt eine Forschungslücke, relativiert die gängige Deklassierung der Werke und vermeidet gekonnt jegliche Überbewertungen zur Legitimation sowie Pauschalurteile. Zudem ist er um eine leserfreundliche Darstellung bemüht. Er geht in der gesamten Untersuchung strukturiert und stringent vor, sodass seine Ausführungen keine Brüche aufweisen. Hinzu kommt, dass er durchgehend über eine klare Sprache verfügt, die es auch unkundigen LeserInnen ermöglicht, komplexe Sachverhalte zu verstehen. Ob sich dies in Teilen als recht trocken gestaltet oder ob die Nüchternheit Aumüllers gerade dazu verhilft, die Eigentümlichkeiten der Aufbauromane hervorzuheben, sei dahingestellt. Fest steht, dass seine differenzierten Betrachtungen und das strukturalistische Vorgehen eine Bereicherung für die literaturgeschichtliche Auseinandersetzung mit dem DDR-Aufbauroman bieten. Mit seinem analytischen Blick bringt er Aspekte hervor, die für die Thematik relevant und so bis dato noch nicht beleuchtet wurden.

 
 

Anmerkungen

Die beiden untersuchten Varianten des sowjetischen Aufbauromans sind der Industrialisierungs- und der Kollektivierungsroman.   zurück
Aumüller versäumt es nicht, darauf hinzuweisen, dass westdeutsche Literaturwissenschaftler den Schnitt meist etwas später in den 60er Jahren setzen, eine weitgehende Geringschätzung der Aufbauliteratur jedoch auch bei ihnen anzutreffen ist (Vgl. S. 11–12).   zurück
Zu den Postulaten zählt Aumüller Parteilichkeit – Widerspiegelung – Das Typische – Revolutionäre Romantik – Positiver Held – Volkstümlichkeit; vgl. S. 54–63.   zurück
Aumüllers benennt folgende Subsysteme: Existentielles (Sabotage), individuelles (Liebe), ideologisches (Agitation) und organisatorisches (Aufbau); vgl. S. 150.   zurück
Neue Subsysteme sind bspw. ›Bildung‹ oder ›Vergangenheit‹.   zurück
Der Terminus ›Poetik‹ bezieht sich, laut Aumüller, auf »eine Theorie oder systemische Abhandlung zur Eigenart von literarischen Werken (Einzelwerken oder Werkgruppen)« (S. 356).   zurück