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Bilder vom Wiegendruck in der Schweiz

  • Cornel Dora u.a. (Hg.): Advent des Buchdrucks. Die Wiegendrucke der Stiftsbibliothek St.Gallen. Ausstellungskatalog 28. November 2015 bis 6. März 2016. St.Gallen: Stiftsbibliothek St.Gallen 2015. 142 S. zahlr. Abb. Softcover. CHF 25,00.
    ISBN: 978-3-905906-16-5.

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Vielleicht ist dies eine allgemeiner gültige Erfahrung: Engagierte Betreuer kleinerer Sammlungen – gleich wovon, auch von Büchern, Inkunabeln – wissen besonders gut in ihnen Bescheid und können daraus pädagogisch fundiert und unterhaltend Pretiosen präsentieren. Manchmal mögen sie besser orientiert wirken als die Verwalter von an die Tausende zählender Einheiten, die sich oft private Nachweisinstrumente schaffen müssen, sollen sie auf Zuruf Einzelerscheinungen und deren Hintergründe belegen. Darum hatten es die Verantwortlichen der Stiftsbibliothek St. Gallen mit ihrer – im Text nicht bezifferten 1 – Kollektion wahrscheinlich »leichter«, unter dem Titel »Advent des Buchdrucks« als Ausstellungskatalog quasi ein illustriertes Handbuch des Wiegendrucks allgemein und besonders dessen der Schweiz vorzulegen.

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So freut sich ein Bibliothekar, der eine lange Lebensstrecke mit einer Sammlung von um 1000 Inkunabeln verbrachte, zuerst einmal über die Auswahl der Stücke und die Erläuterung dessen, wofür sie stehen (sollen). Die im neuen Medium üblichen Schriftarten werden charakterisiert und abgebildet, darunter ein wirklich beeindruckendes Blatt: eine Buchführeranzeige, die offensichtlich von einem in St. Gallen ausgebildeten Weltpriester als Kauf-Vorschlag genutzt worden ist. Rundum weitergegeben werden sollte die Information aus dem Abschnitt »Aldus Manutius und der Buchbinder«, daß die Venezianer Autorin von Kriminalromanen, Donna Leon, in ihrer Heimatstadt das heute noch existierende Druckhaus von Aldus (San Polo 2310) ermittelte…

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Die Vitrinen zeig(t)en weiter die zeitweise parallele Textüberlieferung in handschriftlicher und gedruckter Form mit den Unterschieden im Layout. Abbildungen waren nach Gutenbergs Erfindung im Druck anders zu präsentieren und konnten von späterer Hand koloriert werden. Das inhaltliche Spektrum des Frühdrucks ist breit, wir finden im Katalog u.a. Zeitereignisse, gespiegelt im Kolumbusbrief, Unterhaltungsliteratur und Fachausgaben wie den Venezianer Euklid Ratdolts oder Regers Ptolomaeus-Ausgabe. Als besondere Highlights empfindet man die Blockbücher (Historia et descriptio urbis Romae, Biblia pauperum). Natürlich gebührte dem Schweizer Buchdruck in der Ausstellung ein besonderer Platz, wobei den Fremden Basel natürlich weniger beeindruckt als der Mammotrectus (GW M20793) von Helias Helye aus Beromünster (1470).

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In der Adventszeit eröffnet, spielen die Ausstellung und der Katalog im Titel mit der Abfolge des Kirchenjahres. Überspringen wir Epiphanias, so wären wir mit dem Ausstellungsende in der Passionszeit – wobei wir sowohl an die Rezensionen wie auch an das vielerorts erwartete und beklagte Ende des Buchzeitalters denken könnten… Oder erwarten die Kollegen der Stiftsbibliothek felsenfest mit Ostern auch hier die grundsätzliche Auferstehung? Sicher, man vergißt nicht am Bibliotheksschreibtisch seine Überzeugungen (Anm. 93).

Der Band beginnt mit einem historischen Abriß von Karl Schmuki über die Inkunabelsammlung der Stiftsbibliothek (S. 8-25). Dann werden in sieben Kapiteln, jeweils Abbildung mit Kommentar, Wiegendrucke aus der Nähe, Inkunabeln und Handschriften, Zentren der frühen Buchdrucks, Der frühe Buchdruck in der heutigen Schweiz, Vielfalt der Themen, Gallus Kemli: Mönch und Sammler und Weitere Blockbücher und Wiegendrucke von Cornel Dora, Franziska Schnoor, Sabine Bachofner und Schmucki vorgestellt. Den Schluss bilden 104 Anmerkungen, die die Aussagen belegen und den Leser weiterführen. Das ist verdienstvoll, gerade auch weil man darin das oben erwähnte pädagogische Bemühen spürt. Auf dieser Ebene seien Zitate aus Wikipedia zugelassen, denn wer mag schon entscheiden, ob die Klöster wirklich am »Aufbruch des Buchdrucks nicht besonders aktiv teilnahmen« (S. 27) oder der Buchdruck sich früh in »einige kleinere Orte mit reformwilligen Klöstern ausbreitete« (S. 55)…

Ein schönes, mit Liebe gestaltetes Büchlein.

 
 

Anmerkungen

Im »Gesamtkatalog der Wiegendrucke« sind derzeit 667 Ausgaben aus der Stiftsbibliothek St. Gallen nachgewiesen.

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