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Die Bamberger Wappenwandkalender aus dem Sammlungsbestand der Staatsbibliothek Bamberg

  • Joseph H. Biller: Calendaria Bambergensia. Bamberger Einblattkalender des 15. bis 19. Jahrhunderts von der Inkunabelzeit bis zur Säkularisation. 2 Bände. Weißenhorn: Anton H. Konrad Verlag & Buchhandlung im Alten Schulhaus Konrad-Verlag 2018. zahlr. Abb. Gebunden.
    ISBN: 978-3-87437-579-5.
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Im Zuge der beständigen, in den letzten Jahren verstärkt vorangetriebenen Anstrengungen, den außerordentlich reichen und vielgestaltigen Bestand an Bibliotheksgut aus den herausragenden Sammlungsbereichen der Staatsbibliothek Bamberg in wissenschaftlichen Bestandskatalogen aufzuarbeiten und zu veröffentlichen, häufig gleichzeitig auch in Volldigitalisaten einer interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, wurde mit Josef H. Billers zweibändigem Werk Calendaria Bambergensia. Bamberger Einblattkalender des 15. bis 19. Jahrhunderts von der Inkunabelzeit bis zur Säkularisation ein weiterer zentraler Bestand an Einblattgraphik, die Wappenkalender der Hochstifte, Kollegiatskapitel, Ritterstifte und anderer ähnlicher Einrichtungen, einer eingehenden wissenschaftlichen Untersuchung unterzogen. Deren Ergebnisse liegen nun in zwei gewichtigen Bänden vor. Sie präsentieren einen ebenso umfangreichen wie bedeutenden Bestand dieser wichtigen, aber bislang wenig beachteten Gattung des Einblattdruckes, soweit dieser in der Staatsbibliothek Bamberg aufbewahrt wird. Ausgehend von diesen Drucken wird der Blick zudem auf die ortsfremde Parallelüberlieferung an Wappenkalendern ebenso wie auf Vergleichsbeispiele und nur archivalisch dokumentierte, also mutmaßlich nicht mehr erhaltene Kalender ausgedehnt. Daraus ergibt sich erstmals ein vollständiger Überblick über alle Kalendereinblattdrucke, soweit diese mit Bamberg in Verbindung zu bringen sind.

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Die Gliederung der beiden Teilbände

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Nach einem Geleitwort und einem detailreichen Vorwort des Autors, das nicht nur den Untersuchungsgegenstand des Werkes in den Blick nimmt, sondern auch auf die über 40 Jahre reichende Genese der Forschungen und deren Methodik eingeht (S. XI-XVI), beschäftigt sich der erste Band in Teil I (S. 1-209) mit der »Geschichte der offiziellen Wandwappenkalender des Fürstbistums Bamberg«. Teil II (S. 211-412) liefert sodann insgesamt 200 trotz der oft extremen Verkleinerung dennoch erstaunlich hochwertige Farbabbildungen der besprochenen Bamberger Wappenkalender. Freilich werden viele vom Autor vorgetragene Forschungsergebnisse bei den teilweise übergroßen Formaten der illustrierten Einblattdrucke von bis zu ca. 200 cm auf 80 cm erst dann in allen Einzelheiten nachvollziehbar, wenn der Leser ergänzend die vorzüglichen Digitalisate sämtlicher behandelter Kalender im Internet (www.bamberger-schaetze.de/wappenkalender) zurate zieht, die sogar die Möglichkeit zur Vergrößerung über das Originalformat hinaus bieten. Der ähnlich umfangreiche zweite Band, auf den gesondert einzugehen sein wird, bringt den »Katalog der Wappenkalender der Staatsbibliothek Bamberg mit Kalenderverzeichnissen und Anhang.«

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Zur Begriffsdefinition der offiziellen Wappenkalender

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Unter den Calendaria Bambergensia versteht der Autor im Wesentlichen die »offiziellen Wappenwandkalender«, die eingangs als »große Einblatt- oder Wappenkalender« definiert werden, welche »mit den Familienwappen jenes meist adeligen oder patrizischen Personenkreises ausgestattet« seien, der »als Gremium eines offiziellen oder offiziösen Herausgebers« (S. 3) fungiere. Im Folgenden widmet sich der Autor einzelnen Aspekten des Wappenkalenders, der allerdings in seinen Anfängen im Zeitalter des Inkunabel- und des Frühdrucks (Agenden bzw. deutsche oder lateinische Mondphasen und Aderlasstafeln) nicht ganz der vorgegebenen Definition entspricht.

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Als Initiatoren bzw. Herausgeber dieser Wappenkalender fungieren generell zunächst die Domkapitel der Fürstbistümer und Hochstifte, zu den Emittenten zählen ebenfalls die Kollegiats- und Ritterstifte sowie die überterritorialen souveränen Ritterorden. Neben diesen geistlichen Institutionen veranlassen auch die Ratskollegien freier Reichsstädte beider Konfessionen sowie einzelner Bischofsstädte wie Bamberg und Würzburg, Freie Ritterschaften und Kaiserliche Stadt- und Landgerichte den Druck und die Verbreitung offizieller Wappenwandkalender. Hinzu kommen – wenngleich in weitaus geringerer Anzahl – einzelne Territorialregierungen und Behörden. Als einzige privatwirtschaftliche Körperschaft zählt der Banco Publico in Nürnberg zum Kreis der insgesamt »115 Emittenten im Gebiet des Alten Reiches, der Schweiz und Ungarns als wappenkalenderführende Institutionen« (S. 4). Damit ist zugleich der Einzugsbereich solcher Kalender definiert. Die größte regionale Dichte erreicht das Medium in den katholischen Ländern im Süden und Südwesten Deutschlands, wobei den fränkischen Bistümern Bamberg und Würzburg besondere Bedeutung zukommt, die sich auch in der großen Anzahl überlieferter bzw. in Quellen dokumentierter Wappenkalender widerspiegelt.

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Die Anfänge des offiziellen Wappenkalenders

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Im Folgenden wendet sich Biller der Genese der Gattung des offiziellen Wappenkalenders zu. Dieser sei kurz nach 1500 auf Initiative »geschäftstüchtiger Buchdrucker« (S. 4) als Weiterentwicklung älterer Einblattkalender durch Hinzufügung adeliger Familienwappen zum »beliebten Verkaufsartikel« geworden, der die spezifischen Interessen und Eitelkeiten der adeligen Mitglieder einzelner Domkapitel geweckt und diese mit geschickten Verkaufsstrategien zum wichtigsten Kundenstamm gemacht hatte. Dabei verbanden sich praktische Erwägungen mit repräsentativem Anspruch. Als Folge entstanden bald schon im Auftrag der Domkapitel selbst jährlich erscheinende Serien von nunmehr offiziellen Domherrenkalendern. Soweit sie in lateinischer Sprache verfasst waren, dienten sie mit der Angabe der spezifischen Heiligenfeste sowie den jeweils an den Sonntagen zu lesenden Evangelien liturgischen Zwecken. Die deutschen Ausgaben berücksichtigten – etwa durch die Aufnahme schon seit dem späten Mittelalter bekannter Aderlassmännchen sowie kosmologischer und meteorologischer Voraussagen – weltliche Ansprüche. Zudem war an den Kalendern durch die beigefügten Wappen der Geistlichkeit in hierarchisierter Anordnung vom regierenden Fürstbischof über die Träger wichtiger Verwaltungsämter und Domkapitulare bis hin zur Reihe der Domizellare die personelle Zusammensetzung der jeweiligen geistlichen Institution abzulesen. Die Laufzeit der offiziellen Wappenwandkalender – am frühesten nachweisbar sind sie für Würzburg (1508 bzw. 1514), Augsburg (1518) und Bamberg (1518) – reicht bis zum Ende des Alten Reiches. Bereits gegen Ende des 16. Jahrhunderts waren die meisten Hochstifte mit solchen Kalendern versehen. Für die übrigen Emittenten liegt der Erstausgabetermin in der Regel in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die in den Quellen belegte Bezeichnung solcher Kalender ist variabel und orientiert sich zumeist an ihren Herausgebern, ihrer Bestimmung, Form, Sprachfassung oder ihrer jeweils verwendeten graphischen Technik, dem Holzschnitt oder Kupferstich.

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Allgemein auf die Gattung des Wappenkalenders bezogen, widmen sich die folgenden Abschnitte der Einleitung ihrer Genese, Geschichte und Praxis. Grundsätzlich ist dabei zu unterscheiden zwischen den mit den üblichen Verfahren des Buchdrucks hergestellten, oft in vergleichsweise hohen Stückzahlen produzierten, dabei kostengünstigeren Holzschnittkalendern, zu denen im Verlauf des 17. Jahrhunderts aufwendig mit figürlichem und ornamentalem Beiwerk ausgestattete Kupferstichkalender traten, deren Herstellung sich weitaus kostspieliger gestaltete und aus technischen Gründen (Abnutzung der gravierten Kupferplatten) selbst unter Berücksichtigung gewisser, jedoch begrenzter »Renovierungsmaßnahmen« wie der »Aufgestochenen Radierung« (S. 8) nur in geringerer Stückzahl hergestellt und vertrieben werden konnten. Beide Ausgabeformen wurden zumeist bis in die Anfangsjahre des 19. Jahrhunderts nebeneinander produziert, wobei die Holzschnittversionen »überwiegend an den niederen Klerus und die Landkapitel verteilt wurden […], während für den gehobenen Bedarf des anspruchsvollen Fürstbischofs und seines nicht minder qualitätsbewußten Domkapitels wie auch für bevorzugte Empfänger und distinguierte Gäste die erheblich teurere Kupferstichedition bestimmt war« (S. 8).

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Textgestaltung und Bildstruktur der Kalenderdrucke

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Ohne auf den von Biller durchaus registrierten und im Katalogteil des 2. Bandes auch ausführlich verzeichneten Inkunabelkalender (Intervall-, Mondphasen- und Aderlasstafeln) des Bamberger Bestandes näher einzugehen, stellt der Autor in den folgenden Abschnitten unter verschiedenen Fragestellungen alles Wissenswerte über die Herstellung und den Vertrieb der im Zentrum des Katalogs stehenden Wappenwandkalender zusammen. Er berücksichtigt dabei nicht nur die in der Regel allein aus der Quellenüberlieferung eruierbare Auflagenfestsetzung, zeigt die üblichen Vertriebswege ebenso auf wie die Kompetenzverteilung und Kostenträgerschaft, sondern widmet sich ganz besonders eingehend Aufbau, Bildstruktur, Texten, Zierrahmen sowie den Gestaltungsmöglichkeiten der zunehmend üppiger geschmückten Kopfleisten und der den jeweiligen Personalstand einer jeden Einrichtung zu einem bestimmten Jahrgang kennzeichnenden Wappenleisten, die zumeist in hierarchisierter Form angeordnet werden und naturgemäß häufig ausgetauscht, ergänzt oder neu angeordnet werden mussten. Hauptziel war es, neben den kalendarischen Aufzeichnungen, die alljährlich von einem Jatromathematiker (Kalenderberechner) auf wissenschaftlicher Grundlage neu erstellt werden mussten, den Fürstbischof bzw. Leiter einer geistlichen Institution mitsamt seinem Wappen und den diözesanen Heiligen an zentraler Stelle innerhalb der Kopfleiste gebührend herauszustellen, den Namen (und gegebenenfalls auch das Wappen) des Kalenderberechners und das Jahr zu benennen, für das der Kalender bestimmt sein sollte. Dabei wird immer wieder darauf verwiesen, dass Holzschnitt- bzw. Kupferstichkalender gemeinsam die wesentlichen Bildkomponenten berücksichtigen, aber die Invention, Gestaltungsvielfalt und Kunstfertigkeit der barocken Kupferstichblätter den parallel dazu weitertradierten Holzschnittkalender bei weitem übertreffen und den Kalender somit zum Kunstwerk per se erheben, wobei das eigentlich namengebende Kalenderfeld sukzessive an Bedeutung verliert.

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Sofern die Kalender vollständig überliefert sind, also nicht nur als Fragmente oder gezielte Beschneidung zugunsten einzelner, besonders begehrter Bildelemente wie etwa den in den Fußleisten der Kupferstichkalender vorkommenden Stadtansichten vorliegen, werden häufig der Inventor als Schöpfer des Entwurfs, der Delineator als Umzeichner einer vorliegenden malerischen Skizze oder Vorzeichnung, der Formschneider oder Stecher, der Verleger und Drucker namentlich genannt, sodass in diesen Fällen eine genaue Einordnung des jeweiligen Blattes möglich wird. Lassen sich diese Informationen mit archivalischen Belegen verbinden, wird im Idealfall eine bemerkenswerte Informationsdichte für die einzelnen Stücke erreicht, wie sie in erstaunlich umfangreichem Maße in die vorliegende Publikation eingeflossen ist.

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Die Überlieferung der Bamberger Wappenwandkalender

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Biller schließt seine grundlegenden Ausführungen zur Gattung der Wappenwandkalender mit Hinweisen zur Überlieferung dieser Kalender, wobei der Staatsbibliothek Bamberg mit 190 Exemplaren eine ganz besonders große Bedeutung zukommt, wie sie von kaum einer anderen Bibliothek oder Sammlung auch nur annähernd erreicht wird. Nach einigen Hinweisen zum Vorkommen solcher Drucke im Kunst- und Antiquitätenhandel und zur aktuellen Preisentwicklung dieser bei Sammlern nicht sonderlich beliebten Sammlungsstücke (wegen des Formats, der Thematik oder des Erhaltungszustandes) folgt noch ein Forschungsbericht, der aufzeigt, auf welchem Wege neue Forschungen möglich sind. Zu Recht hebt Biller dabei hervor, dass nur »über die konsequente Auswertung der archivalischen Überlieferung zur weitergehenden Klärung von Genese und Geschichte der Kalenderpraxis bei den einzelnen Emittenten« fundierte neue Erkenntnisse zu erlangen seien (S. 19).

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Das folgende Kapitel I.3 (S. 32-49) wendet sich erstmals den inoffiziellen, »in Eigenverantwortung des Druckers auf dessen Kosten und Risiko hergestellte« (S. 32) Vorläufern der für das Hochstift Bamberg bestimmten Domherrenkalender zu. Dabei werden in der zeitlichen Abfolge ihrer Aktivitäten die einzelnen, teilweise in Offizinen außerhalb des Hochstifts tätigen Kalenderdrucker vorgestellt und deren Erzeugnisse nach zumeist in Sammlungen außerhalb Bambergs vorhandenen Exemplaren analysiert und in Textabbildungen wiedergegeben. Den Anfang macht der Nürnberger Drucker Jobst Gutknecht (aktiv 1514-1542) mit seinem Sohn und Nachfolger Christoph Gutknecht (tätig 1542-1548). Als frühester »physischer« Beleg gilt der Domherrenkalender für das Hochstift Bamberg von 1517. Wie bei allen folgenden Kalendern prüft Biller jedes erreichbare Exemplar (einschließlich isoliert überlieferter Fragmente) nach Form und Inhalt, wobei bei den verschiedenen Ausgaben vor allem die künstlerische Gestaltung der Kopf- und seitlichen Wappenleisten, die hierarchisierte Anordnung der jeweiligen Bischofs-, Dignitäten- und Domherrenwappen (zumeist in der linken Leiste von oben nach unten die Kapitulare, in der rechten die Domizellare), die von Ausgabe zu Ausgabe naturgemäß Änderungen unterworfen ist, sowie die Textzusammensetzung und -anordnung analysiert werden. Schon hier treten die jeweils mit der Kalenderberechnung betrauten Jatromathematiker mit ihren persönlichen Wappen hervor. Soweit möglich, wird die Laufzeit der jeweiligen Kalender anhand der in Quellen dokumentierten bzw. der »physischen« Überlieferung geprüft. Es folgen der »vermutete« Domherrenkalender des Bamberger Druckers Georg Erlinger (aktiv 1522-1541/43); er lässt sich in Dokumenten zwar nachweisen, doch ist kein einziges Exemplar vollständig überliefert, sodass zur mutmaßlichen Rekonstruktion der Wappenkalender für das Würzburger Domkapitel von 1526 (S. 41, Abb. 9, und S. 47) herangezogen werden muss. Schließlich folgen Bamberger Wandkalender des Nürnberger Druckers Valentin Neuber (tätig 1549-1586 [Reske² 2015,
S. 743-744]), berechnet für 1555, 1557 und 1571; wann Neuber schließlich seine Bamberger Kalenderdrucke einstellte, bleibt mangels Belegen offen.

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Der Typus der halboffiziellen Kalender

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Dem Typus des sog. »halboffiziellen« (offiziösen) Kalenders widmet Biller einen weiteren Abschnitt. Am 16. Juni 1556 erhielt der nach dem Tod des ersten Bamberger Hofbuchdruckers Hans Müller amtierende Hofbuchdrucker Hans Hetzer (tätig 1556-1575) auf seinen Vorschlag hin die Erlaubnis, noch in Eigenverantwortung einen ersten Bamberger Domherrenkalender anzulegen, dessen Herstellung von den Domherren finanziell gefördert wurde. Als erstes Exemplar ist freilich erst der für das Jahr 1570 berechnete Wandkalender (fragmentarisch) überliefert. Dessen Kopfleiste, die alle wesentlichen Merkmale auch der späteren Holzschnittkalender aufweist, wurde von dem Nürnberger Formschneider Hans Weigel geschaffen. Ein Ausschnitt der für folgende Kalender maßgebenden Kopfleiste sowie eine Rekonstruktion dieses archivalisch gut belegten Kalenders sind im Text beschrieben und in den Textabbildungen 13 und 12 wiedergegeben.

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Der offizielle Wappenkalender des Hochstifts Bamberg

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1. Die Holzschnittkalender

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Mit Kapitel I.5 widmet sich Biller dem offiziellen Wappenkalender der Hochstifts Bamberg, dessen verschiedene Holzschnitt- (S. 61-103) und Kupferstichausgaben (S. 104-166) den eigentlichen Mittelpunkt der Untersuchungen bilden. Dabei wird zwischen sechs verschiedenen »Typen« mit Holzschnittausstattung unterschieden, die für die Typen 1 bis 4 in deutschen und lateinischen Fassungen (Ephemerides) vorliegen. Nach 1605 wurden die lateinischen Ausgaben eingestellt.

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Zur besseren Übersicht über die einzelnen zwischen 1576 und 1803 erschienenen Ausgaben dienen sechs in den Text eingefügte Tabellen. Sie stellen die einzelnen überlieferten bzw. zumindest in der Literatur nachgewiesenen Exemplare, ihre Zuordnung zu verschiedenen Typen und Varianten sowie Hinweise zu den Laufzeiten, den jeweils beteiligten Druckern und Kalkulatoren relativ übersichtlich zusammen. Im Text selbst wird die Entstehung der einzelnen Fassungen behandelt sowie auf die beteiligten Kalenderberechner, Künstler, Drucker, Illuminatoren und Lieferanten eingegangen. Im Mittelpunkt steht eine eingehende Beschreibung aller einzelnen nachweisbaren Ausgaben. Hier ist der Leser allerdings gut beraten, zu Billers Beschreibungen die jeweils zugehörigen Digitalisate hinzuzuziehen, da vor allem die Beschreibung des Holzschnittschmucks in den Begrifflichkeiten verwirrend ausfallen kann und sich in Einzelheiten nicht immer mit der Autopsie anhand der Originale oder ihrer Digitalisate vereinbaren lässt. Man vergleiche etwa die Beschreibung der deutschen Fassung des zweiten Typs von 1592 bis 1599 (S. 68-69) mit dem Digitalisat des Exemplars von 1592 (Signatur: VI F 117), da die dem Text beigefügte Abb. 17 (S. 71) die Einzelheiten nicht hinreichend klar erkennen lässt.

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2. Die Kupferstichkalender

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Ganz in der Tradition der Bildikonographie der Holzschnittkalender verharrt auch der ab dem Jahrgang 1619 (nicht »ab 1609«, wie die Bildunterschrift zu Abb. 23, S. 110 mitteilt) parallel zur Holzschnittausgabe eingeführte Kupferstichkalender, der freilich erst in einem einzigen erhaltenen Exemplar (S. 116) auf das Jahr 1628 in Porrentruy/Schweiz belegt und entsprechend den jeweils regierenden Fürstbischöfen in fünf Varianten nachweisbar ist. Mit dem Entwurf (?) und der Ausführung wurde der bekannte Nürnberger Stecher Peter Isselburg betraut. Nachdem dieser Kalenderdruck mit den notwendigen Modifikationen bis 1656 Bestand hatte, folgte von 1656 bis 1718 ein zweiter Kalendertyp, dessen dem Zeitgeschmack angepasste dekorative Elemente nach einer Visierung des Bamberger Bildhauers Hans Mathes Seberg von einem Frankfurter Kupferstecher gestochen und zunächst von dem Würzburger Drucker Elias Michael Zink gedruckt wurden. Billers Analyse dieses zweiten Kupferstichkalendertyps (S. 118-129) ist besonders aussagekräftig, wenngleich sie anhand eines vergleichsweise späten Exemplars von 1693 vorgenommen werden musste. Doch werden gerade an diesem Exemplar neben den sehr zahlreich vorliegenden Quellennachweisen wesentliche technische Herstellungsprozesse erkennbar, die die Gestaltung des in sieben Varianten von 1656 bis 1718 laufenden Kalenders mittels teilweise ausgetauschter (»ausgeputzter«), renovierter (i.e. aufgearbeiteter, »aufgestochener«) oder in Teilen neu gestochener Kupferplatten betreffen. Besonders aufschlussreich sind ebenfalls Billers Ausführungen zu den beteiligten Künstlern, Berechnern und Lieferanten, ebenso zu Auflagenhöhen, Kosten, Verteilung und Versand.

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Nach längeren Bemühungen erscheint ab 1719 ein dritter Kalendertyp »mit Stich von Gustav Adolf Müller nach Johann Daniel Preißler in Nürnberg« (S. 129), der sich in Komposition und Stil völlig vom vorangegangenen unterscheidet. Grundsätzlich neu ist die formale Gestaltung der großformatigen, aus drei Blättern zusammengefügten Bildarchitektur: Im Innern einer halbrund angedeuteten Kolonnadenarchitektur mit Balusterbrüstung und allegorischen Figuren erhebt sich eine vielgestaltige, aber vergleichsweise flach angelegte Festarchitektur, die einem profan-allegorisch umgedeuteten Altaraufbau ähnelt. Dort sind in einer unteren Zone und dem darüber aufragenden »Auszug« alle traditionellen Bild- und Textelemente auf eine neuartig barocke Weise eingefügt. Die zahlreichen Wappenschilde und der auf einen Mindestumfang reduzierte Einsatzkalender bilden wenig mehr als eine kleinteilige Dekoration des architekturalen Aufbaus, wohingegen das Wappen des (jeweils regierenden) Fürstbischofs vor einem hermelinbesetzten Wappenmantel mit zeltartiger Bekrönung schwebend umso prunkvoller herausgehoben wird.

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Für diesen Kupferkalendertypus neu sind zwei Elemente: Zum einen zwischen zwei vor den Stufen der »Altarfront« lagernden Flussgöttern Altmühl und Regnitz eine in einer querformatigen Kartusche angebrachte Ansicht der Stadt Bamberg. Zum anderen ein den Wappengiebel überwölbender Bamberger Heiligenhimmel. In dessen Zenit erscheint vor einer gleißend hellen Gloriole die Gottesmutter mit Kind. Sie ist umgeben von den üblichen Bamberger Dom- und Bistumspatronen Heinrich und Kunigunde, Petrus, Georg, Kilian und Otto, die auf Wolkenformationen ruhend die Gottesmutter ebenso verehren wie eine große Anzahl fliegender Putten und Engelsfiguren, die im Gewölk schwebend mit den Symbolen der geistlichen und weltlichen Macht ausgestattet sind.

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Biller bezeichnet die Gestaltung dieses Kalendertyps als »typisch für die Denk- und Gestaltungsweise des Spätbarocks, in dem sich auf ganz anderem Gebiet, in der Deckenmalerei, ähnliche Tendenzen bemerkbar machen« (S. 134). Hinzugefügt sei allerdings, dass sich ähnliche Gestaltungsmuster bereits in der niederländischen Buchgraphik an Titelbildern und szenischen Illustrationen des späten 16. Jahrhunderts beobachten lassen, welche z.B. auch in die deutsche Buchgraphik der ersten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts Eingang gefunden haben. 1

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Ähnlich wie beim dritten Kupferkalendertypus ist auch bei der Entstehung und Gestaltung des vierten und letzten Typus (1769-1802) eine Vielzahl von Personen beteiligt. Auf Wunsch der Auftraggeber wurde dieser gewaltige Kalender bewusst nach den Vorbildern des auch im Bamberger Bestand unter der Signatur HVG 12/14 erhaltenen Eichstätter (ab 1764) und Osnabrücker Kalenders (ab 1752) gestaltet; Entwurf und seitenverkehrte Delineation (als Vorlage für den Stecher) verantwortete der Augsburger Künstler Josef Christ; den Stich der notwendigen Kupferplatten sowie den Verlag des Druckes besorgten die Augsburger Brüder Josef und Johann Klauber (sign. »Fratres Klauber Cath.[olici]«), die sich insbesondere auf die Produktion der Kalender sehr zahlreicher Hochstifte und Stifte sowie auf Graphische Thesen- und Promotionsblätter spezialisiert hatten. Letztere sind übrigens auch in der Staatsbibliothek Bamberg in zahlreichen, häufig ebenfalls von den Brüdern Klauber verlegten Exemplaren vorhanden. 2 Entstanden ist dabei eines der sicherlich repräsentativsten Werke dieser Gattung, das Biller wiederum einer eingehenden Analyse unterzieht (S. 143-163). Bei diesem Wandkalender reizt die Bildgestaltung alle Möglichkeiten der Zeit aus. Es entsteht eine üppige Komposition im Stil des Rokoko, die alle konstitutiven Elemente der Gattung berücksichtigt, dazu aber neue, ergänzende hinzufügt. Das Blatt zeigt nicht nur eine komplizierte Bildarchitektur, die in einen rauschhaft gesteigerten Heiligenhimmel übergeht. An der Nahtstelle findet sich erstmals auch ein Portraitmedaillon des Fürstbischofs über seinem aufwendig gestalteten Bischofswappen. Die neu gestochene Stadtansicht Bambergs, gesehen von Norden, wird seitlich um kleinere Veduten der beiden Festungsstädte Forchheim und Kronach ergänzt.

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Mit der letztmalig 1802 erschienenen Ausgabe dieses vierten Typus endet die lange Tradition der Bamberger Kupferstichkalender, während erst ein Jahr später auch der letzte Bamberger Holzschnittkalender erschien. In diesem Jahr lag letztmalig auch der Bamberger Stadt- und Ratskalender vor, der ebenso wie die »›Kalender‹ des Edel- und Bürgerlehengerichtes Bamberg« in den Kapiteln I.6 und I.7 (S. 173-209) behandelt wird.

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Der Bildteil des ersten Teilbandes

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In Teil II dieses ersten Bandes sind auf insgesamt 200 Tafeln sämtliche im Text behandelten und in der Staatsbibliothek Bamberg aufbewahrten Almanache und Wappenkalender farbig abgebildet. Wegen der teilweise extrem verkleinerten Bildwiedergabe der großformatigen Wandkalender bieten die detailreichen und scharfen Farbabbildungen nur eine erste Übersicht und Orientierungshilfe zum Verständnis des Textes. Zur besseren Beurteilung sind freilich die im Internet verfügbaren Digitalisate mit der Möglichkeit der Vergrößerung eine ebenso notwendige wie willkommene Hilfe.

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Teilband 2: Die Anlage des Katalogs

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Band 2 des umfangreichen Werkes ist dem beschreibenden Katalog aller in Bamberg überlieferten Kalenderexemplare vorbehalten, wobei auch die nicht für das Bistum oder die Stadt bestimmten Einblattdrucke (wie etwa für das Hochstift Würzburg oder andere auswärtige geistliche und weltliche Institutionen) aufgenommen sind.

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Die teilweise recht ausführlichen Katalogisate folgen einer an die speziellen Gegebenheiten der einzelnen Kalendertypen angepassten engmaschigen Systematik, die weit über das hinausgeht, was der herkömmliche Nachweisstatus und Erschließungsgrad solcher Einblattdrucke gemeinhin zu bieten vermag. So kann Biller zu Recht konstatieren: »Die Auswertung und Zusammenführung von archivalischen Nachrichten und physischen Bestandsnachweisen hat jene optimale Basis geschaffen, auf deren Grundlage Analyse, Deskription, Zuordnung und Einordnung aller im Bamberger Bestand überlieferten Wappenkalender – sowohl des Fürstbistums Bamberg als auch anderer Hochstifte und wappenführenden Korporationen – in erschöpfender Weise vorgenommen werden können« (S. 44). Soweit die Katalogisate die offiziellen Wappenwandkalender als Holzschnitt- und Kupferstichkalender beschreiben, ist der Aufbau eines jeden Katalogisats nach den bibliographischen Schlagzeilen in zwei Teile gegliedert. Es folgen zunächst alle eruierbaren Angaben zum sog. »Almanach«, den Biller »nur auf das Kalendarium mit Titelblock, Monatstabellen, Erläuterungen, Praktik eventuell mit Laßmann, Prognostik und meist auch Impressum« (S. 253) bezieht. Der nachfolgende zweite Teil widmet sich den Angaben zum »Frontispiz«, worunter Biller abweichend von den üblichen Definitionen des Begriffs bei »Holzschnittkalendern das ganze, oft aus zwei oder drei Einzelbogen montierte Blatt mit Titelholzschnitt bzw. Kopfleiste und Holzschnittrahmung: meist Seiten- und Fußleisten mit Wappen; bei Kupferkalender de[n] (meist in mehreren Teilen abgezogene[n] und zusammenmontierte[n]) Abdruck der Kupferplatten« versteht (S. 254), somit recht eigentlich das gesamte graphische Dekorationssystem der Wandkalender. Innerhalb dieses Beschreibungsschemas berücksichtigen die Katalogaufnahmen alle relevanten bibliographischen, inhaltlichen und formalen Aspekte, verzeichnen Laufzeiten, die beteiligten Künstler, Drucker und Verleger, fügen teilweise Beschreibungen hinzu und listen die jeweils bekannte Parallelüberlieferung in ortsfremden Bibliotheken und Sammlungen sowie die Literatur zu den jeweiligen Stücken auf.

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Kalenderverzeichnisse, Glossar, Biogramme und Literaturverzeichnis

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Eine Vielzahl von Kalenderverzeichnissen unterstützen in tabellarischer Form die im Text wie im Katalog niedergelegten Untersuchungsergebnisse. Ein Glossar trägt zum Verständnis der in den Beschreibungen benutzten wichtigsten Fachtermini bei, wobei u.a. »Maskerons« (recte: Maskarons – Fratzengesichter), Bd. 1, S. 68, fehlt.

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Hinzu kommen Listen der Bamberger Fürstbischöfe von 1505 bis 1802, von Kalenderverfassern und Bamberger Hofbuchdruckern in der Zeit der Kalenderführung 1557-1802. Eine Fundgrube sind die alphabetisch angelegten Biogramme, getrennt nach Kalenderverfassern (S. 260-271), Kalenderdruckern und -verlegern (S. 271-299), Kalenderherstellern (S. 299-314) sowie Kalenderkünstlern (S. 315-325) und Kalenderfertigern (S. 325-326), worunter vor allem die an der Montierung von Kalendern (dem Zusammenkleben einzelner Teile zu einem ganzen Wandkalender) beteiligten Buchbinder zu verstehen sind. Leider muss sich die bei den Biogrammen angegebene Literatur häufig auf ältere oder längst überholte Werke stützen. So könnte etwa Christoph Reske, Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet. Auf der Grundlage des gleichnamigen Werkes von Josef Benzing. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, Wiesbaden 2015, ergänzende Informationen liefern, ebenso das im Internet verfügbare Bibliographische Handbuch der Kalendermacher von 1550 bis 1750 von Klaus-Dieter Herbst (https://www.presseforschung.uni-bremen.de/dokuwiki/doku.php?id=Startseite), das in einzelnen Beiträgen Biller bereits berücksichtigt, aber vielfach in Einzelheiten davon abweicht. Gelegentliche Ungenauigkeiten im umfangreichen Literaturverzeichnis und Lücken im Quellenverzeichnis wie bei den Abkürzungen (in beiden fehlt etwa das vielfach im Text zitierte Staatsarchiv Würzburg) können den hohen wissenschaftlichen Ertrag dieses akribisch recherchierten und vorzüglich ausgestatteten Werkes jedoch keinesfalls schmälern. Billers Bearbeitung der Calendaria Bambergensia wird künftig bei der wissenschaftlichen Bearbeitung ähnlicher Bestände aus anderen Bibliotheken und Sammlungen vielfältige nützliche Anregungen bieten und gerade durch die Berücksichtigung aller vorhandenen archivalischen Quellen als Modell dienen können.

 
 

Anmerkungen

So finden sich Übernahmen niederländischer Gestaltungsmuster z.B. in illustrierten Würzburger Musikdrucken der Echterzeit; vgl. Helmut Engelhart: Die liturgischen Drucke für Fürstbischof Julius Echter (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg, hrsg. von Wolfgang Weiß. Sonderveröffentlichung), Würzburg 2017, hier bes. S. 189-262, passim.   zurück
Vgl. dazu: Die graphischen Thesen- und Promotionsblätter in Bamberg. Nach Vorarbeiten von Wolfgang Seitz (Augsburg) bearbeitet und herausgegeben von der Staatsbibliothek Bamberg durch Bernhard Schemmel mit Lichtbildern von Alfons Steber (Bestandskatalog der Staatsbibliothek Bamberg, des Historischen Vereins Bamberg in der Staatsbibliothek Bamberg, des Erzbischöflichen Priesterseminars Bamberg, des Historischen Museums der Stadt Bamberg und auswärtiger Sammlungen sowie von Privatbesitz), Wiesbaden 2001.   zurück