Heike Anna Hierlwimmer

Hollywood-Stars und ihre Körper




  • Susanne Weingarten: Bodies of Evidence. Geschlechterrepräsentationen von Hollywood-Stars. Marburg: Schüren 2004. 320 S. 100 Abb. Kartoniert. EUR 24,90.
    ISBN: 3-89472-350-5.


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Mit Bodies of Evidence liefert Susanne Weingarten eine vielschichtige Analyse des Phänomens »Starkörper« im Hollywood-Kino der vergangenen dreißig Jahre. Sie präsentiert im ersten Teil des Buches Theorie und Geschichte der so genannten ›Star Studies‹ und stützt darauf im umfangreicheren zweiten Teil sechs detaillierte Fallstudien von prominenten Hollywood-Schauspielern und Schauspielerinnen.

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Klar umrissenes Forschungsfeld

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Susanne Weingarten nennt und begründet den Untersuchungsaufbau, -gegenstand und -zeitraum ihrer Arbeit präzise und schlüssig. Aus den drei Jahrzehnten von 1970 bis 2000 hat sie jeweils einen männlichen und einen weiblichen Hollywood-Star ausgewählt: Für die siebziger Jahre sind dies Jane Fonda und Robert Redford, für die achtziger Jahre Meryl Streep und Sylvester Stallone, und für die neunziger Jahre Demi Moore und Michael Douglas. Alle Stars sollten die Kriterien erfüllen, im jeweiligen Jahrzehnt sowohl objektiv besonders (kommerziell) erfolgreich und daher gesellschaftlich besonders relevant, als auch innerhalb der eigenen Schauspielkarriere auf dem Höhepunkt ihrer Popularität gewesen zu sein. Alle behandelten Stars sind weiß, stellen insofern eine homogene Untersuchungsgrundlage dar, und spiegeln zudem die Tatsache wider, dass »bis heute die überwältigende Mehrheit aller Hollywood-Stars Weiße sind« (S. 18).

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Die Auswahl ihres Untersuchungszeitraumes begründet Weingarten sowohl sozial- als auch filmhistorisch. Erstens vollziehe sich »um 1970 ein Generationenwechsel in der amerikanischen Gesellschaft« (S. 16). Die Generation der »Baby Boomers«, der zwischen 1946 und 1964 Geborenen, sei damals erwachsen geworden und habe sich in allen elementaren Lebensbereichen extrem von den Werten und Normen ihrer Elterngeneration abgegrenzt. Die gravierenden Umwälzungen, die mit der so genannten sexuellen Revolution, der Frauen- und Bürgerrechtsbewegung und den Protesten an der herrschenden Innen- und Außenpolitik einhergingen, markierten die Zeit zwischen 1970 und 2000 laut Weingarten als »Phase der Transformation und damit einhergehend der Verunsicherung, aber auch der Selbstreflexivität, was die gesellschaftliche Produktion von Geschlecht betrifft« (S. 17).

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Zweitens fällt in besagten Zeitraum der Beginn des »New Hollywood«, das in ökonomischer und filmästhetischer Hinsicht eine mitunter radikale Abkehr vom Studio-System des klassischen Hollywood darstellte. Weingarten sieht hierin zugleich den Beginn einer neuen Star-Konzeption: die Filmstars des New Hollywood seien nicht mehr als unerreichbare, realitätsferne ›Leinwandgötter‹ inszeniert worden, sondern als Repräsentanten aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen. »Stars wurden nicht mehr darüber definiert, daß sie ›ideal‹, sondern darüber, daß sie ›typisch‹ waren.« (S. 15 f.)

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Stars als repräsentative Körper

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Susanne Weingarten richtet den Fokus ihrer Arbeit, wie der Titel bereits verdeutlicht, auf die Körper der Filmstars. Das Kino als visuelles Massenmedium macht Stars in besonderer Weise ›sichtbar‹ und wird von anderen Medien, die der Image-Pflege populärer Hollywood-SchauspielerInnen dienen, noch unterstützt. Die Qualität der bildhaften Darstellung und die Quantität der massenhaften Verbreitung dieser Bilder machen Filmstars zu idealen Repräsentanten gesellschaftlicher Vorstellungen bzw. deren Problematisierung. Weingarten argumentiert mit Richard Dyer, dass Schauspieler gerade dadurch zu Stars werden, dass sie »eine Resonanz im diskursiven Raum einer Gesellschaft erzeugen« (S. 8). Als wichtigste Kategorie, die Stars mit ihrem Schauspieler-Körper darstellen, sieht Weingarten ›Geschlecht‹, oder genauer, »das am weitesten verbreitete soziale Ordnungssystem menschlicher Gesellschaften – die Zweigeschlechtlichkeit« (S. 7).

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Mit ihren sechs Fallstudien will Susanne Weingarten aufzeigen, wie verschiedene Stars je spezifische Vorstellungen von ›Männlichkeit‹ und ›Weiblichkeit‹ des zeitgenössischen Diskurses repräsentieren – und wechselseitig auch zu Veränderungen alter Konzepte beitragen können. Laut Weingarten (re)produzieren Stars nicht nur den Geschlechterdimorphismus, sondern sie »legitimieren, naturalisieren und universalisieren« ihn sogar und stellen ihn als »ideale Ordnung« dar (S. 10).

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Geschlecht als ›Performance‹

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Weingarten gründet ihre Analyse der Star-Körper auf Judith Butlers Gendertheorie, nach der ›Geschlecht‹ keine naturgegebene, buchstäblich angeborene Tatsache ist, sondern »eine Repräsentation – eine Art Performance.« (S.7) Die ›Männlichkeit‹ oder ›Weiblichkeit‹ eines jeden Menschen – und somit eines jeden Schauspielers – manifestiert sich demnach »erst im Vollzug normativer Körperpraxen, einem kontinuierlichen Prozeß des geschlechts- und identitätskonstituierenden Handelns«. (S. 7)

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In dieser theoretischen Grundlage liegt die größte Stärke von Bodies of Evidence; Judith Butlers Argumente werden sehr anschaulich dargestellt und in den Fallstudien absolut konsequent umgesetzt. Weingarten sieht Filmstars zurecht als prototypische ›Performer‹ von Geschlecht, und zwar einerseits durch die bereits erwähnte idealisierte Präsenz in einem visuellen Massenmedium, und andererseits durch den Konstruktions-Charakter, den jeder Hollywood-Schauspieler als kommerzielles ›Produkt‹ per se besitzt. Dieses Spannungsfeld des Schauspielers zwischen Filmrolle, Star-Image und Privatperson wird in Weingartens Untersuchung als komplexer, kontinuierlich im Wandel begriffener ›Austragungsort‹ geschlechtspezifischer Zuschreibungen gezeigt.

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Mit der Verwendung von Butlers Gendertheorie stellt sich Susanne Weingarten explizit in eine feministische und poststrukturalistische Tradition (s. S. 49), die zugleich auch als größter Angriffspunkt ihres Buches gesehen werden kann. Wer die Annahme teilt, dass sowohl das soziale als auch das biologische Geschlecht reine Akte der Performanz und der gesellschaftlichen Zuschreibungen sind, der wird Bodies of Evidence als Fundgrube voller Dekonstruktionen verschiedenster Geschlechter-Images schätzen. Wem jedoch die Feststellung, dass das »System der Zweigeschlechtlichkeit [...] keine biologischen Grundlagen« (S. 20) habe, ebenso willkürlich und rigide erscheint wie das traditionelle Beharren auf demselben, dem werden in Weingartens Argumentationen immer wieder die selben Gedankengänge fragwürdig erscheinen.

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Butlers Theorie von der »Arbitrarität« des Geschlechtes droht mitunter, genau wie andere radikale Theorien, an der eigenen Radikalität zu scheitern. So ist die Beobachtung eines Phänomens von den Hypothesen über seine Ursachen bisweilen kaum zu unterscheiden. Die Tatsache, dass das Hollywood-Kino (unter anderem!) ein höchst ausgereiftes und einflussreiches Repräsentationssystem des Geschlechterdimorphismus ist, wird so für Weingarten zum Indiz dafür, dass eben diese Geschlechterdifferenzierung »eine elementare Funktion« Hollywoods ist. Und die permanente Beschäftigung mit der Kategorie Geschlecht beweist demnach, dass sie »ihrer behaupteten Natürlichkeit zum Trotz« derart »problematisch« sei, dass sie eben jener permanenten Rückversicherung bedürfe (S.11). Weingarten verweist völlig zurecht auf »zahlreiche ikonographische Konventionen«, die Hollywood zur Inszenierung von Geschlecht nutzt. Sie erwähnt aber beispielsweise nur am Rande, dass diese »zum Teil aus älteren Darstellungsformen« (S. 11) übernommen worden seien.

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Susanne Weingarten kann sich mit jeder These auf etablierte Film- und GenderspezialistInnen berufen und ist, wie schon erwähnt, innerhalb ihrer Argumentation absolut stringent. Einige grundlegende Prämissen wie die folgende behalten jedoch einen gewissen subjektiven und wertenden Beigeschmack und werden als vermeintlicher Status quo weder ausführlich belegt noch hinterfragt:

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Das Repräsentationssystem Kino kreist insofern – als eine ›Technologie des Geschlechts‹ (Teresa de Lauretis) – geradezu obsessiv um den Geschlechterdimorphismus, und zwar weit über das Maß hinaus, in dem Gender in anderen gesellschaftlichen Repräsentationssystemen thematisiert wird. (S. 11)
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Die Fallstudien

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In ihren Analysen der sechs Filmstars kommt Susanne Weingarten zu sehr unterschiedlichen, in jedem Fall sehr interessanten Erkenntnissen darüber, welche Bilder von Männlichkeit und Weiblichkeit die SchauspielerInnen im jeweiligen Jahrzehnt repräsentierten – und warum. Wichtig ist dabei immer, dass der Filmstar – im Gegensatz zum ›gewöhnlichen‹ Schauspieler – in jeden Film einen »Bedeutungsvor- und -überschuß« (S. 55) hineinträgt: Er wird immer auch als real existenter Schauspieler mit einem bestimmten Image und einem bestimmten Körper wahrgenommen und ›verschwindet‹ daher nie völlig in der Figur der jeweiligen Filmrolle.

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In allen sechs Fallstudien beobachtet Weingarten die Krise der (amerikanischen) Geschlechterkategorien, die die erwähnte »Phase der Transformation« von 1970 bis 2000 entscheidend prägte, und die in jedem Jahrzehnt bzw. bei jedem Filmstar auf unterschiedliche Weise sichtbar wurde. So habe Robert Redford die konkurrierenden Vorstellungen idealer Männlichkeit in seiner Person vereint und gleichsam »aufgelöst«, Sylvester Stallone habe sie durch eine übersteigerte »Muskulinität« (über)kompensiert, und Michael Douglas sei schließlich als mehr oder minder hilfloses Opfer einer übermächtigen Frauenbewegung präsentiert worden.

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Die drei untersuchten Schauspielerinnen stellen ihrerseits alle denkbaren Facetten von Weiblichkeit dar, die mal mehr, mal weniger komplex ausfallen und im zeitgenössischen Diskurs unterschiedlich stark reflektiert werden. In Jane Fondas Star-Karriere sieht Weingarten vier dinstinkte Phasen – vom »frisch-naiven ›girl next door‹« bis zur »professional woman« (S. 59) – die jeweils durch eine ganz bestimmte »Körpersemiotik« repräsentiert wurden. Meryl Streep hingegen, die in den 1980er Jahren gerne als »moderne«, intellektuelle und emanzipierte Frau bejubelt wurde, war laut Weingarten im politischen Klima der »konservativen Revolution« gerade deshalb zeitgemäß, weil es sie als Star »gar nicht gab: Charakteristisch für Streep war vielmehr ihre Unsichtbarkeit.« (S. 145)

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Demi Moore war in den 1990ern hingegen überaus ›sichtbar‹ und stellte sämtliche Vorstellungen von ›akzeptabler‹ Weiblichkeit von Film zu Film radikaler in Frage. Weingarten veranschaulicht schlüssig und facettenreich, warum gerade Demi Moore sowohl als klassisches Lustobjekt als auch als ›Feindbild‹ einer immer fragwürdiger werdenden Männlichkeit dienen konnte. Die Radikalität von Moores Körperlichkeit, die im Film G.I. Jane ihren Höhepunkt hatte, dient Weingarten als endgültiger Beleg von Judith Butlers Performanz-Theorie.

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Zweifellos kritisiert und attackiert Moore als G.I. Jane – noch dazu in der Männerdomäne einer militärischen Eliteeinheit – das Konzept der ›natürlichen‹ männlichen Überlegenheit aufs Schärfste. Weingartens These, Moores »Muskelkörper entlarv[e] dieses Zeichen in seiner Zeichenhaftigkeit« (S. 244), klammert jedoch einige Fakten aus: Moores inner- wie außerfilmische (Selbst)inszenierung betont immer auch ihren Ausnahmestatus, als Frau und als Filmstar. Eine gewisse Vorbildfunktion für ambitionierte Nachahmerinnen würde sie sicher nicht ablehnen; die Mehrheit der Frauen könnte Moores Körper jedoch nie ›kopieren‹ – sofern sie es denn wollten. Auch wenn man Filmstars die Macht zugesteht, mit ihrer Performance ganze Gesellschaftsdiskurse exemplarisch verdichten und entscheidend beeinflussen zu können, bleibt die Frage, ob eine einzige muskelbepackte Demi Moore den Beweis erbringt, dass Frauen und Männer auch in punkto reiner Muskelkraft ›gleich‹ sind und der »Akt der [geschlechtsspezifischen] Zuschreibung selbst« (S. 245) in Frage gestellt ist.

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Fazit

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Bodies of Evidence ist eine spannende Lektüre, die Filmwissenschaftlern oder Filminteressierten wertvolle Denkanstöße liefern kann und mit ihrem theoretischen Teil auch für Forschende im Bereich Genderstudies interessant ist. Susanne Weingartens Analysen überzeugen durch ihre Aktualität, die große Materialfülle und die Einbindung zahlreicher Filmstills und Publicity-Fotos. Ein ansprechendes Layout und eine äußerst ausführliche Bibliographie machen Bodies of Evidence zu einem gut lesbaren und nützlichen Forschungsbeitrag.


Dr. Heike Anna Hierlwimmer
Universität Trier
Medienwissenschaft
Universitätsring 15
DE - 54286 Trier

Ins Netz gestellt am 01.06.2004

IASLonline ISSN 1612-0442

Diese Rezension wurde betreut von unserem Fachreferenten Dr. Uli Jung. Sie finden den Text auch angezeigt im Portal Lirez – Literaturwissenschaftliche Rezensionen.

Redaktionell betreut wurde diese Rezension von Natalia Igl.

Empfohlene Zitierweise:

Heike Anna Hierlwimmer: Hollywood-Stars und ihre Körper. (Rezension über: Susanne Weingarten: Bodies of Evidence. Geschlechterrepräsentationen von Hollywood-Stars. Marburg: Schüren 2004.)
In: IASLonline [01.06.2004]
URL: <http://www.iaslonline.de/index.php?vorgang_id=765>
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